Gérard Raynal – Le secret de Font-Clare

Originaltitel: Le secret de Font-Clare

Meine Bewertung: 7/10

Hier haben wir einen wirklich guten Heimatroman, der uns in die Schatten der Rebstöcke des Weinguts von Font-Clare im Jahr 1938 versetzt.

Der Schreibstil, der perfekt zu der Geschichte, der Zeit und der verborgenen Geheimnisse passt, ist ruhig und fantasiereich und vermag es den Romanfiguren Tiefe zu verleihen aber auch den Gefühlen und Beschreibungen.

Die Geschichte ist die des Jean Lagarde:

Jean Lagarde ist der Sohn einer reichen Familie die weite Weinberge besitzt. Bis hierhin lebte er sein Kinderleben und nahm alles einfach hin, stellte keine Fragen, doch diesen Sommer, nach dem Besuch von Verwandten und insbesondere seiner Kusine Violette, muss er feststellen, dass das Leben der Älteren bei weitem düsterer und weniger eben ist als er es sich dachte, dass alles, was bis hierhin so bekannt erschien dies gar nicht ist.

Alles beginnt an dem Tag, an dem er auf einem Ausflug eine alte Krypta entdeckt und darin eine alte Grabstätte. Hier steht nicht mehr als ein Name und ein Datum: „Eloïse, zwölfter Oktober Neunzehnhundertdreiundzwanzig“. Dies wäre alles nicht weiter überraschend wenn dieses Grab, gut verborgen in einem abgelegenen Teil des Gutes, nicht von frischen Blumen geschmückt wäre! 

Jean wird sofort neugierig, und seine Gedanken können sich nicht von der geheimnisvollen ‚Eloïse’ lösen. Ein erster Riss in der Mauer seiner Kindheit.

Und nun kommt seine Kusine Violette, die zwei Jahre älter ist als er selbst. Und mit ihr ein ganz neues Gefühl: die Liebe. Ihre Anwesenheit wird ihn erschüttern, und auch wenn es sich hier um seine Kusine handelt kann Jean sich nicht davon abhalten, tiefe Gefühle für diese zu empfinden.

Ist es nun dieses neue Gefühl, welches seinen Blick auf die Welt ändert oder einfach nur seine Neugier welche ihn dazu treibt, Informationen über die mysteriöse Eloïse zu sammeln, die keiner ihm geben möchte? Tatsache ist, dass Jean entdeckt dass seine Familie nicht so glücklich ist wie er dachte, dass seine Mutter zu dominant ist, dass sein Vater sich eingeschlossen fühlt, das sein Großvater an seiner Reue zerbricht und dass die Leute einen eigenartigen, fast hasserfüllten Blick auf die Familie seiner Mutter werfen!

Wir verfolgen Jean in diesem Sommer, der seinen Blick auf das ganze Leben verändern wird.

Dies ist ein Roman der uns in das Leben dieses Jungen versetzt, und damit in die Weinberge von Font-Clare, vor dem Hintergrund eines noch weit entfernten Krieges, der in Spanien wütet.

Jean entdeckt, dass es so etwas wie Scheinheiligkeit und Gier, Verschweigen und Lügen, Hass und Enttäuschung, Liebe und Eifersucht. Da alles zusammen über ihm einbricht hat er die größten Schwierigkeiten die Wirklichkeit zu erkennen und die Ereignisse zu begreifen.

 

Wie erwähnt ist der Schreibstil wirklich schön, die Ausdrucksweisen simpel und dennoch originell. Ein einziger Satz kann ausreihen um uns die Gedanken des jungen Jean nahe zu führen.

Eine Besonderheit dieses Stils zeigt sich wenn die Perspektive gewechselt wird, was der Autor sicher tut um den Geisteszustand seines jungen Helden zu beschreiben.

Die Erzählung wird in der ersten Person geliefert, doch in de Kurve eines Satzes kann der Autor in die dritte Person und sogar, noch erstaunlicher, in die zweite Person übergehen. Der Abstand der mit der Perspektive gewonnen wird schien mir im umgekehrten Verhältnis zu der Intimität des Berichts. Wenn so der Autor die dritte Person benutzt, so spricht der von einem von der Liebe zu Violette geblendeten Jean der dann seine Taten und Gesten von außerhalb zu beobachten scheint. Genauso ist es wenn die Erzählung in die zweite Person übergeht – was ja eher selten in der Literatur ist – denn dann handelt es sich meistens um Szenen in denen Jean in einen eher verwirrten Zustand ist und starke Emotionen empfindet durch die er wie im Nebel handelt; dann ist es als werde er von einem Freund beobachtet, der direkt neben ihm steht. Das ist recht erstaunlich, mutig sogar.

 

Natürlich habe ich auch ein paar Kritikpunkte: Zunächst ist da eine Ungereimtheit (zumindest in dieser Auflage, vielleicht wird das ja korrigiert): Das Datum, welches auf Eloïses Grab zu lesen ist, kann nicht stimmen. Auf diesem Grab steht die Inschrift „Eloïse, 1923“.

Schon als Jean von diesem Grab zu Dritten spricht, erwähnt er eine „Eloïse die im Jahr Einundzwanzig in Font Clare begraben wurde“ – kleiner Fehler des Autors, oder des Jean – aber wohl eher des Autors denn dieser Unterschied wird niemals aufgegriffen oder korrigiert, wir werden es also wohl nie wissen. Aber das ist nicht alles. Ohne weiter in die Details zu gehen (ich möchte Ihnen ja die Lektüre nicht vermiesen), so erweist es sich, in Hinsicht auf die Informationen die wir über Eloïse sammeln, ihr Erscheinungsbild, die Gründe, die sie ins Grab gebracht haben und allgemein die Daten als unmöglich, dass diese im Jahr 1921 begraben wurde, und noch unmöglicher dass dies 1923 geschah, keines kann stimmen. Ich kann Ihnen natürlich nicht de Grund zu dieser Behauptung nennen ohne Ihnen das Geheimnis von Font-Clare zu verraten, aber Sie werden es gewiss beim Lesen des Buches sehen.

 

Dann noch eine kleine Bemerkung: Die Kommata-Setzung (im Original zumindest) ist recht erstaunlich, manchmal willkürlich und unverständlich. Hier gibt es sehr viele Beispiele, wie zum Beispiel (diese Beispiele wurden vollkommen zufällig ausgewählt, beim schnellen Durchblättern): „Wollte sie das scharfe Messer der Erinnerungen, in sein Herz treiben“ oder auch „…die Perspektive mittags, zwei weitere hungrige Mäuler zu füttern erfreute sie nicht“. Verstehe ich nicht.

 

Insgesamt ist „Le secret de Font-Clare“ ein Heimatroman, der dem Leser genau das bietet war dieser erwartet: Zunächst erweckt er den Wunsch zu diesem Ort zu gehen, und sei es nur für die schöne Landschaft, den Geruch der Erde und die Farbe der Weinberge, aber auch eine gewisse Unruhe vor dieser Gegend mit seiner Vergangenheit die von allen mit einer schweren Stille geschützt wird, oder auch den Geheimnissen die allgemein bekannt sind, wie auch dem tiefen Groll der über Generationen reichen kann.

Die Sanftheit, die den Roman begleitet kreuzt so das Schwert mit den Dramen, die sich dort abspielen. Wirklich schön.

Wenn Sie Heimatromane mögen, so wird Ihnen dieser hier sicherlich gefallen!

 

 

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