Harlan Coben – Miracle Cure

Originaltitel: Miracle Cure

Meine Bewertung: 6,5/10

Eines der wenigen Harlan Coben Bücher, die noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden (obwohl es eines seiner ältesten Werke ist und wohl auch eines seiner besseren).

Miracle Cure erschien das erste Mal vor über zwanzig Jahren und wurde nun neu verlegt.

Es handelt sich um einen sehr gelungenen Thriller der sich in dem Milieu der Medizinischen Wissenschaft abspielt und von einer lebensnahen Feder verfasst wurde – auch wenn er natürlich einige Fehler aufweist.

Was besonders überraschend ist, wenn man diesen Roman heute liest, ist wohl der Blick den die damalige Gesellschaft auf AIDS geworfen hat – einen Blick den wir beinahe vergessen haben, auch wenn ein Teil dieses negativen Bildes weiter fortbesteht. Harlan Coben liefert in diesem Roman hiervon eine sehr gute Analyse.

Wenn Sie, wie ich, aus der ersten „AIDS Generation“ stammen, die, die nach der Entdeckung des HIV Virus ausschließlich den geschützten Verkehr kannte, so werden auch bei ihnen die Erinnerungen über Sie einstürzen, die Vorurteile, die Gott sei Dank der Vergangenheit angehören (zumindest zum größten Teil), aber die zu der damaligen Zeit sehr real waren, diese Unsicherheiten, die Angst vor einer einfachen Berührung, auch nur vor der Nähe… Und die Hoffnung auf eine Heilung, auf ein Gegenmittel…  

Ich glaube, dass die Tatsache wieder in diese Zeit versetzt zu werden (die ja ein wenig das Symbol meiner Jugend ist) hat dazu beigetragen, dass ich diesen Roman sehr gerne gelesen habe.

Oder aber … es ist auch möglich dass die sehr scharfsinnige Selbstkritik des Autors in seinem Vorwort dazu beigetragen hat, dass ich so manchen negativen Punkt einfach übersehen habe, oder dass diese mir fast rührend erschienen. Das kann ich nun nicht sagen.

 

Aber zunächst einmal eine Zusammenfassung:

Wir befinden uns in New York, am Ende der `80er Jahre.

Bruce Gey, ein Arzt, wird durch die Stadt gehetzt aber schafft es, kurz bevor er auf brutalste Weise ermordet wird, einen geheimnisvollen Umschlag in den Briefkasten zu werfen. Sein Mord wird als Selbstmord verkleidet und somit wird keine Untersuchung eingeleitet, und das obwohl seine nahen Verwandten darauf bestehen dass dieser angesehene Arzt, der kurz davor stand eine Impfung gegen AIDS zu finden, keinerlei Grund hatte sich das Leben zu nehmen.

Dieser Mord hätte also unbestraft bleiben können, archiviert mit den Selbstmordfällen, wenn nicht nach der Entdeckung mehrerer entstellter Männerleichen eine weitere Untersuchung eingeleitet worden wäre. Diese Opfer hatten auf den ersten Blick nur eines gemein: Sie alle waren homosexuell und HIV-positiv. Handelt es sich hier um Hassmorde???

Die Journalistin Sara Lowell, die diese Fälle recherchiert, findet schon sehr schnell eine weitere Gemeinsamkeit die sehr viel beunruhigender ist: Die ermordeten Männer wurden alle in der Klinik betreut, in der Dr. Bruce Grey arbeitete!

Diese Morde hängen also auf die eine oder andere Weise mit den Recherchen dieser Einrichtung zusammen. Den Patienten wurde jedoch eine absolute Anonymität zugesichert, da sie an einem wichtigen Forschungsprojekt teilnahmen und nicht wünschten, dass ihre Seropositivität bekannt wurde!

Nach dem gewalttätigen Ableben des Dr. Grey hofft Harvey Riker, dessen Partner, die Recherchen für die Impfung fortzuführen und diesen so schnell wie möglich herzustellen zu können, doch die mächtigen Lobbyisten versuchen die Klinik schließen zu lassen damit die Zuschüsse „nobleren Zwecken“ zugute kommen können.

Und dann wird Sara auf recht persönliche Weise von dieser Sache berührt…

 

Meine Meinung? Keiner fasst sie besser zusammen als Harlan Coben selbst:

Hier erlaube ich mir, das Vorwort des Autors zu zitieren, da ich es, wie erwähnt, scharfsinnig finde und ich diese (Auto)-Kritik nicht besser hätte ausdrücken können. Hier also ein Ausschnitt:

„… dies ist der zweite Roman den ich veröffentlicht habe. Ich habe ihn mit knapp über zwanzig geschrieben. Ich war als ich noch ein junger, naiver Kerl war ….

… dieser (dieser Roman) ist stellenweise etwas moralisierend und manchmal etwas überholt…

Letztendlich gefällt mir dieses Buch mit all seinen Macken. Hier ist diese Risikobereitschaft und Energie in Miracle Cure……

Das hat er wirklich gut ausgedrückt.

Tatsächlich spürt man in der Schreibweise nicht unbedingt eine Unreife, aber doch eher eine Naivität, und es stimmt auch dass moralisierende Tendenz manchmal etwas zu sehr Überhand nimmt. Man spürt ganz klar dass dieser Roman nicht „neu“ ist (wenn die Thematik Sie noch nicht darauf aufmerksam gemacht haben sollte).

Und dennoch spürt man zweifellos diese Energie von der der Autor spricht, sie lässt das Buch erbeben!

Als dieser Roman geschrieben wurde, sah man AIDS noch als eine „Schwulenkrankheit“ an, die damit die Bevölkerung, die sich als „normal“ und „gesund“– das heißt heterosexuell – einschätzte nicht bedrohte. Alles was „diese Welt“ betraf, ging den „Normalbürger“ eigentlich nichts an, es war einfach weit weg. Dass diese Gefahr auch andere betreffen könnte war undenkbar.

Was in diesem Roman besonders durchscheint, das ist dieser Blick, den man auf die Kranken richtete. Wenn auch der „gesellschaftliche Tod“ nicht beschrieben wird und auch nicht der Verstoß aller HIV-positiven Personen – was eigentlich ein wenig schade ist, aber dies ist ja ein Thriller und keine gesellschaftliche Studie – so spürt man die Angst und das wissentliche Wegsehen zwischen den Zeilen.

Als dieser Roman verfasst wurde war diese Thematik also aktuell und seine „nostalgische“ Seite kann ganz klar diejenigen verführen, die diese Zeit gekannt haben!

Wenn Harlan Coben auch seinen Stil noch nicht ausgefeilt hatte, so kann man dennoch sein noch junges Talent in diesem doch recht klassischen Roman klar erkennen.

Die Spannung wird gut aufgebaut, wir werden von einigen überraschenden Wendungen unterhalten, auch wenn diese noch nicht wirklich verblüffend sind.

Man kann also ohne zu zögern sagen, dass dies ein sehr guter Thriller ist, mit einer soliden Basis auf der Harlan Coben danach aufgebaut hat.

Was die Lektüre dieses Romans angeht, so rate ich hier eher denjenigen dazu, die diese erste Zeit von AIDS gekannt haben. Ich bin mir nicht sicher ob die jüngeren Leser diesen Roman in dieser Hinsicht angemessen würdigen können.

Für mich war es ein netter Moment, auch wenn dieser Thriller mich alt gemacht hat, denn wie Kinder, die uns an die Zeit erinnern die vorüberstreicht wenn sie heranwachsen so führt uns auch dieser Roman die (glücklicherweise positive) Entwicklung der Gesellschaft in Hinsicht des HIV-Virus vor Augen.

 

 

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