Jean-Michel Thibaux – La fille du templier

Originaltitel: La fille du templier

Meine Bewertung: 4,5/10

Bei diesem Roman habe ich gemischte Gefühle, ja ich fühle mich beinahe (beinahe) zerrissen. Er hat wirklich sehr positive Punkte.

Zum Beispiel vermag es der Autor durch kurze Szenen, die er zwischen die Zeilen schiebt, ein sehr lebhaftes Bild vor dem inneren Auge des Lesers zu schaffen, es fehlt sicher nicht an Aktion und der Schriftsteller beweist auch seine große Fantasie um seine Romanfiguren, seien sie real oder fiktiv, lebendig erscheinen zu lassen. Das Gesamtwerk profitiert auch von einem farbigen und aufgeweckten Schreibstil.

Doch dieser Roman hat zwei große Fehler! (die Spannung steigt, sie steigt und steigt – denn ich werde erst später mehr dazu sagen!)

 

Kommen wir zunächst zum Plot:

Ohne es zu wollen stoße ich hier jedoch schon auf die erste Schwierigkeit und stolpere über das Hindernis des ersten Fehlers: Der Plot, der rote Faden, ist beinahe unmöglich auszumachen, die Erzählungen und Geschehnisse der Romanfiguren überschneiden einander, einige davon sind packend, andere weniger.

Zwei Haupt-Handlungen sondern sich schließlich doch ab, die eine eher schmaler und diskreter (und doch ist es diese, die vom Bucheinband in den Vordergrund gedrängt wird), die andere ist spürbarer:  

Der Plot, wie er auch auch von dem Einband und dem Buchtitel hervorgehoben wird, dreht sich um eine Rache: Wir schreiben das Jahr 1147, die Zeit der zweiten Kreuzfahrten. Hier treffen wir auf die junge Aubeline von Aups, deren Vater mit den Tempelrittern in Richtung Jerusalem gezogen ist. Aubeline ist eine junge, unabhängige Frau, sie ist so stolz und mutig wie abenteuerlustig und kann auch mit Waffen umgehen. Die Tochter des Tempelritters (übersetzt entspricht das dem Titel: La fille du templier) wird immer und überallhin von ihrer treuen Dienerin Berarde begleitet, einer stummen Frau mit einer trüben Vergangenheit voller Gewalt. Als eine ausschlaggebende Fehde zwischen den Katalanen und der Provence ausbricht, treten die beiden dem Heer der sehr schönen Bertrane de Signes und der Gräfin Stephanie von Baux bei, deren Fahne sie nun verteidigen wollen (und die beide an den Tagungen des Liebeshofs teilnehmen). Der Kampf ist hart. Und wird verloren! Die Armee der Bertrane muss sich nun Raymond Berenger unterwerfen, und die Gräfin des Baux muss auf einen Teil ihrer Macht, auf einen Teil ihrer Ländereien verzichten.

Um den Frieden zu wahren unterwerfen sich beide Frauen wie auch die beiden jüngsten Söhne der Gräfin. Doch Hugon, ihr Ältester, kann sich nicht mit dieser Waffenruhe abfinden. Er hofft nicht nur sein Erbe und den Machteinfluss wieder zu erobern sondern auch, getrieben von einem tiefen Hass, sich an seiner eigenen Mutter wie auch an Bertrane und deren treuen Freunde, unter denen sich auch Aubéline befindet, rchen zu können.

Ja tatsächlich, das alles.

Wenn dieser Handlungsstrang auch hervorgehoben wird, so steht er nicht im Mittelpunkt des Romans.

Eine besondere Geschichte hebt sich von Beginn an ein wenig ab: Das Leben am Liebeshof.

Ich wurde sofort neugierig, ich hatte noch nie von diesen „Liebeshöfe“ gehört und wollte wissen, ob diese tatsächlich existiert haben. Die Antwort ist „wahrscheinlich schon“. Man nannte sie ‚Liebeshöfe’ oder auch ‚Minnehöfe’.

Leider, leider vergisst der Autor, der sich wahrscheinlich selbst zu sehr in der mittelalterlichen Geschichte auskennt, uns diese Höfe etwas genauer vorzustellen, sie kurz zu beschreiben um sie für uns in einer Epoche und einer Kultur festzulegen, und er schafft es dies zu überspringen obwohl er uns in diese Einrichtungen hineinführt. Dem Standard-Leser (wie mir) fehlt daher die Grundlage, wir werden in diese „Gerichtshöfe“ projiziert ohne durch den Eingang zu kommen.

Da ich nun neugierig wurde habe ich gegoogelt und hier haben sie nun das Ergebnis meiner „Feenfinger“; nun ist meine Informationsquelle Wikipedia (Frankreich und Deutschland) also bitte ich Sie meine Unkenntnis zu verzeihen, auch Fehlinformationen oder einfach ungenaue Aussagen. Wenn Sie dies alles gar nicht interessiert, so überspringen Sie doch bitte einfach den Absatz und lesen Sie weiter unten weiter, nach dem schräggedruckten Text:

Die Liebeshöfe (auch Minnehöfe genannt), die wir in diesem Roman antreffen, haben tatsächlich ab dem XIIten Jahrhundert existiert, und insbesondere der von Signes. Ebenso lebten ein großer Teil der in diesem sehr gut dokumentierten Roman erwähnten Charaktere wirklich, wie zum Beispiel Bertrane, Jasseande, Alalèe und natürlich die Tochter des Tempelritters, Aubéline.

Diese „Liebeshöfe“, die aus einer Mehrheit nobler Damen, einigen Troubadouren und wenigen Rittern zusammengestellt waren, konnten Urteile in Sachen der Liebe fällen und in rechtlichen Fragen de Minne entscheiden (wie zum Beispiel „ist die Liebe zwischen Eheleuten möglich“), sie konnten auch Streitigkeiten zwischen Liebespaaren schlichten.

Das „Gesetz“ nach dem diese Liebeshöfe ihre Urteile sprachen, war das der Minne, das Gesetz der höfischen Liebe, und dieses reglementierte sehr genau die Art und Weise wie man sich in Anwesenheit einer adligen Frau zu verhalten hat. Die Frage, die von diesen Liebeshöfen zu beantworten war, war also jene, ob die Person/Personen die dem Gericht gegenüberstand sich der Minne gerecht verhalten hatte/hatten (Quelle: Wikipédia Frankreich).

Interessant ist, dass Wikipedia Deutschland angibt, dass die Existenz dieser Liebeshöfe schwer nachweisbar und wahrscheinlich nur eine literarische Fiktion ist.

Nun, meine beiden „Wissensquellen“ sind Wikipedia, deutsch oder französisch, ich bitte Sie also, diese Aussagen als das zu nehmen, was sie sind: unbelegte ja gar widersprüchliche Angaben, die ich auf Wikipedia gegoogelt habe.

Zurück zum Roman.

La fille du templier“ ermöglicht es dem Leser also diese Liebeshöfe kennenzulernen, in denen die Frauen die Macht übernahmen.

Das war sehr interessant und wir haben in diesem Buch die Gelegenheit ein wenig mehr zu manchen der Fälle zu erfahren, und somit über das Leben zu jener Zeit. Durch diesen Hof, der wie gesagt sehr von Frauen dominiert wurde, wird ein weiterer angenehmer Aspekt des Romans hervorgehoben: Die Macht der Frauen, die mental und sogar auch physisch war.

Jean-Michel Thibauxs Roman geht noch weiter, immer mehr kleine Handlunsfäden fixieren sich an den/dem roten Fäden/Faden, manche sind wirklich brillant (so habe ich Jean gerne verfolgt, denn die Tempelritter bei ihrem zweiten Kreuzzug zu beobachten war reizvoll), andere weniger (so hat mich die Anwesenheit der „bösen“ Delphine einfach nur gestört).

Kurzum, eine Handlung mit vielfachen Erzählungen, vielen Wendungen und Geschehnissen, ein Versprechen – das eines reichen und packenden Romans.

Ja, das wäre er sicher, wären da nicht diese beiden Makel…

 

Die „Pluspunkte“ und die beiden „Negativpunkte“ des Romans:

Ich habe die „Pluspunkte“ des Romans bereits erwähnt: eine lebendige Feder, eine blühende und reiche Fantasie, spannende Erzählungen, rührende und farbige Szenen.

Doch bis jetzt habe ich noch nicht von diesen beiden „Negativpunkten“ gesprochen: Einige der Romanfiguren – wie zum Beispiel Aubéline d’Aups – schienen keinerlei Vergangenheit zu haben und wirkten eigentlich mehr wie eine Skizze, sie wurden einfach in die Handlung gesetzt und rasch gezeichnet, wie es dem Autor gerade in den Sinn kam.

Dann war da dieser rote Faden der sich durch das Buch zog und die Handlung tragen sollte, nun, er war hauchdünn, und die daran aufgehängten Nebenplots, die dort wie mehr oder weniger farbiger Modeschmuck baumelten insgesamt so schwer dass sie ihn mit ihrem Gewicht aus dem Lot zogen und es schließlich unmöglich war klar zu sagen welches nun der Haupt-Plot war.

Zudem wechselt die Erzählerperspektive manchmal mitten in einem Absatz und eine neue Handlung kann mitten im Roman beginnen, mit irgendeinem Kapitel, um sogleich wieder mit einem kleinen Satz abgebrochen zu werden.

Da stellt sich eine Frage: Hat dieser Roman nicht eventuell ein (kleines) Struktur- und Aufbauproblem??

Wir haben also Charaktere ohne Vergangenheit (und Tiefe) und einen wackeligen Aufbau.

 

Charaktere ohne Vergangenheit : 

Wie bereits erwähnt hat erscheint hier so manche Romanfigur ohne Herkunft, so manch ein Charakter scheint nichts erlebt zu haben, sie tauchen mit einem Zeichenstrich einfach auf der Bühne des Geschehens auf.

Zu Beginn des Romans erwartete ich eine farbige Beschreibung der Romanfiguren und die erste Szene war auch vielversprechend. Berarde, die stumme Freundin der Aubeline hat eine wirkliche Geschichte die ihren Charakter erklärt, man erwartet hier also eine kleine Perle.

Doch gleich kommt die erste Enttäuschung: Aubéline, die ja nun die Titelheldin ist, wird einfach in diesen Roman geschleudert. Sie wird als junge, schöne Frau dargestellt, die mutig ist und mit Waffen umzugehen weiß…. Aber sie hat keinerlei Tiefe. Man spürt keinerlei Lebenserfahrung!

Ich hätte dann doch gerne mehr erfahren, wie sie zu einer solchen Kriegerin wurde obwohl sie scheinbar kein sonderlich schweres Leben hatte?! Die Tatsache, dass sie die Tochter eines Tempelritters ist reicht nun wirklich nicht aus, besonders im Mittelalter! Wann erlernte hier schon eine junge Frau von doch eher nobler Herkunft die Waffenkunst und wer lehrte sie so etwas? Um in den Krieg zu ziehen und Männern entgegenzutreten reicht es sicher nicht aus als Kind mit Waffen gespielt zu haben, da braucht es schon mehr um aus einer Frau eine richtige Amazone zu machen, es braucht eine gewisse Verbissenheit, Zorn, eine Motivation, einen Grund zu kämpfen, und dann benötigt jene Frau noch jemand der ihr die Waffenkunst beibringt, sie muss lernen die Kraft des Gegners zu nutzen um zu kämpfen (und ich denke nicht, dass es zu jener Zeit Krav Maga Lehrgänge in Frankreich gab!), kurz, es fehlt ein wesentliches Puzzleteil.

Aubeline ist also hier, ganz sanft und doch eine Kriegerin. Was ist geschehen? Wir werden es nicht erfahren, sie ist eben einfach die Heldin. Wie? Ein Rätsel. Natürlich ist das so nicht glaubhaft.

Dadurch erscheint Aubeline fade, so richtig langweilig, öde und fade, trotz all ihrer heldenhaften Aktionen. Man schafft es einfach nicht an sie zu glauben, sie bleibt eine schlecht ausgewählte Schauspielerin in einem Mittelalterfilms die es nicht schafft in ihre Rolle zu schlüpfen, sie bleibt Gabrielle neben Xena.

Es wird aber noch schlimmer: Obwohl sie als Heldin des Romans angepriesen wird, spielt sie nur eine zweitrangige Rolle! Man folgt ihr nur nebenbei, der Plot springt von einem Charakter zum anderen und lässt dann Aubéline einfach stehen, sie ist mehr da um den Titel des Romans zu belegen. Sie ist eigentlich ohne jedes Interesse.

Andere Romanfiguren folgen ihrem Beispiel der grenzenlosen Geradlinigkeit; nicht alle, Gott sei Dank!!! Bertrane, zum Beispiel, hat mehr Relief, und man fühlt sich dieser Frau schnell nahe, die immer eine Maske zur Schau tragen muss um ihr wirkliches Leid zu verbergen, das nämlich, dass sie niemals das Lager mit ihrem Ehemann geteilt hat (dies ist kein Spoiler, man erfährt es zu Beginn des Romans). Sie ist eine starke Frau!!!

Dies alles macht mich fast traurig, denn die Idee der Präsenz so vieler harter Frauen hatte mir gefallen; ich bin ja selbst schon auch der Meinung, dass die Frauen in Wirklichkeit das stärkere Geschlecht sind, sowohl mental als auch körperlich (natürlich innerhalb der Grenzen die uns von der Muskelmasse auferlegt wurde die Mutter Natur uns zustand, ich bin dann schon realistisch).

Ein weiteres Problem mit den Romanfiguren ist auch, dass einige davon zu spät eingeführt werden. Der Vater von Aubéline und sein Begleiter Jean, zum Beispiel erscheinen erst in der Mitte des Buches, in einem weiteren „neuen“ Teil des Plots.

Und schon stoßen wir an…

 

Ein strukturelles Problem

Die verschiedenen Erzählungen sind gelungen. Wenn man sie einzeln betrachtet. Doch sie bilden kein zusammenhängendes und einziges Bild!! Jeder Teil ist schön, doch das Gesamtwerk funktioniert nicht!

Die Ereignisse folgen einander nicht flüssig und das ist wirklich sehr schade.

Dieser Roman ist eigentlich die Sammlung kleiner Handlungen die vage dem selben roten Faden folgen…sei es in der Zeit oder in der gleichen Gegend…

Die Schwierigkeit ist, dass so die Spannung sich einfach nicht aufbaut, denn wir wissen ja gar nicht wohin es geht!

Die Charaktere handeln und wandeln, laufen hierhin und zu jenem Ort aber wir wissen nicht woher sie kommen und warum sie nun dorthin eilen. Sehr viel später erst, in einem Nebensatz, erfahren wir warum das, was geschah geschehen ist – aber es ist dann zu spät um Mitzueifern! Man hätte dies vorher ansagen müssen, damit man mit ihnen zittern kann!

Hier bleibt der Herzrhythmus also stetig und ruhig.

Dazu kommt, dass gerade wenn man sich in eine Aktion hineinversetzt, daran glaubt, oftmals ein kleiner Zeitsprung eingefügt wird und wir uns kurzerhand nach den Ereignissen wiederfinden bei denen wir dann schon gerne live dabei gewesen wären; hier wird uns dann in einem Satz kurz zusammengefasst wird was alles passierte (wie zum Beispiel bei dem Wiedertreffen zwischen Aubéline und ihrem Vater).

Die Erzählung ist auch zu wirbelig.

Man wechselt ständig die Erzählerperspektive, die Endpunkte sind zu simpel, ja der Schluss selbst des Romans ist zu einfach, in vollkommenem Widerspruch zu dem reichen Herzen des Buchs.

Vor allem sind es aber diese Wechsel der Perspektive die einen stören, denn diese beschränken sich nicht darauf von Kapitel zu Kapitel vorzukommen, sondern überraschen einen inmitten einer Seite, ja sogar ohne einen Absatz oder eine Freizeile. Das ist wirklich sehr sonderlich und eher unangenehm.

Und dennoch ist dieser Roman, von diesen beiden Makeln abgesehen, fesselnd!

Wenn man es als Anreihung von Bildern dieser Zeit nimmt die verschiedene reale Figuren in Szene setzen.

Der Schreibstil ist sehr angenehm, vielleicht etwas reich, aber keinesfalls schwer. Es ist eine schöne Feder, die es vermag diese Bilder farbig zu gestalten.

Insgesamt habe ich mich mit der Lektüre etwas schwergetan, das gebe ich zu, vielleicht auch weil ich erwartete die Geschichte der Tochter des Tempelritters zu lesen und dabei nur einen Blick in diese Epoche erhascht habe.

Es fehlte hier einfach ein wirklich strukturierter Aufbau der Handlung.

 

 

 

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