Ken Follett – Die Tore der Welt

Originaltitel: World Without End

Meine Bewertung: 8/10

Der „König“ hat wieder zugeschlagen, wenn Sie mir diesen abgedroschenen Ausdruck verzeihen, aber das kam mir als erstes in dem Sinn nachdem ich dieses Buch gelesen hatte.

„Die Säulen der Erde“, das unumgängliche Werk des Autoren, dieses Monument des historischen Romans hate mich fasziniert, aber es schien mir unmöglich einen „Folgeroman“ zu verfassen. Aber Ken Follet hat es gewagt!

Nein, natürlich ist dies keine „Fortsetzung“, die beiden Bücher sind vollkommen unabhängig voneinander, Sie können sie in der Reihenfolge oder gegen die Reihenfolge lesen, das wird nichts ändern, aber die Ähnlichkeit ist doch offensichtlich.

In „Die Säulen der Erde“ mussten die Romanhelden im VIIten Jahrhundert die Kathedrale von Kingsbridge erbauen, und das Detail mit dem dieser Epos verfasst wurde schien mir absolut umwerfend. Ja, „die Säulen der Erde“ sind für mich eine wirkliche 10/10 des Genre „historischer Roman“.

Ich kann jetzt nicht sagen, dass Ken Follet mit „Die Tore der Welt“ ein ebenso beeindruckendes Werk geschrieben hat denn das denke ich tatsächlich nicht. Aber er ist dennoch wieder in voller Stärke da und liefert hier ein wunderbares Buch welches sehr augenscheinlich nach demselben Modell geschnitzt wurde. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Romanen ist beinahe zu groß, denn die Helden und ihre Schicksale sind ähnlich derer der Erbauer der Kingsbridge Kathedrale. Aber das ist ja eigentlich auch nicht weiter schlimm, denke ich.  

Wir befinden uns also im XIVten Jahrhundert, in Kingsbridge – ja, in Kingsbridge. Die Stadt verkümmert langsam, der Handel geht zurück, das Priorat hat Schwierigkeiten und wird von gierigen Mönchen geleitet die den Nonnen jeden Zugriff verweigern.

Alle Romancharaktere werden liebevoll beschrieben und unterscheiden sich stark voneinander. Im Mittelpunkt der Handlung stehen Merthin, Caris, Gwenda und Ralph.

Merthin ist ein Nachkomme von Jack, dem Erbauer, und auch er ist Architekt, intelligent, fleißig, treu, wie einst sein Vorfahre. Seine bedingungslose Liebe gehört Caris, eine Liebe die er nur schwer zügeln kann.

Was Caris angeht, so ist sie eine junge Frau der es schwerfällt, sich mit dem Leben einer Hausfrau anzufreunden. Sie wünscht sich eine wirkliche Karriere, was zu der damaligen Zeit ein unerreichbarer Traum für eine Frau war. Zudem macht es ihr das Leben nicht einfacher und ihre Beziehung zu Merthin ist heikel.

Gwenda wird von dem Schicksal verfolgt. Von ihrem eigenen Vater für eine Kuh verkauft, von ihrem Herrn missbraucht, mit einem eher ungünstigen Äusseren aber einer hohen Intelligenz schafft sie es trotz all ihrer Bemühungen nicht sich aus der tiefen Armut zu befreien. Dazu kommt, dass der Mann den sie liebt eine andere Frau liebt.

Dann haben wir schliesslich noch Ralph, Merthins jüngeren Bruder, ein arroganter Mann der mit Lügen durch das Leben geht, es aber dennoch vollbringt sich über seinen sozialen Status hinaus zu erheben.

Um diese vier Charaktere herum kreisen noch die verschiedensten zweitrangigen Romanfiguren, die aber ebenso farbig und faszinierend sind. Ken Follet vermag es wieder einmal uns jede Figur mit so viel Talent zu beschreiben, dass wir sie uns alle ohne Schwierigkeiten vorstellen können, ja sogar den Eindruck haben sie persönlich zu kennen.

Die Handlung spielt sich in einer Welt ab, in dem die Kleriker großen Einfluss haben und in dem die Adligen, die Herren, Macht über Leben und Tod ihrer Vasalen innehaben.

In diesem Roman findet man einfach alles, Eifersucht, Ehebruch, Machtmissbrauch, Mut, Krankheit, Schicksalsschläge, die Pest… Ken Follet hat kein Detail der mittelalterlichen Welt, die er als Kulisse beschreibt, übersehen.

Im Herzen der Geschichte steht ein weiteres Bauwerk: Die Kingsbridge-Brücke, die Brücke, die es der Stadt ermöglichen soll wieder zum Leben zu erwachen.

Merthin schafft es, trotz all der hinterhältigen Züge seiner Rivalen, mit seiner Kunst zu glänzen und seine Pläne durchzusetzen, und somit wird ihm nicht nur der Bau der Brücke anvertraut sondern auch die Renovation der Kathedrale.

Eine fesselnde Geschichte die lebhaft und farbig erzählt wird, so dass man den Eindruck gewinnt dabei gewesen zu sein.

Einige der tragischen Schicksale werden den Leser wohl mehr berühren als andere. So manchem wird Caris Willensstärke imponieren, wie sie jede Hürde ohne Zögern in Angriff nimmt, andere werden von der unerschütterlichen Liebe Merthins erweicht oder auch von seinem Werdegang beeindruckt werden, doch ich persönlich habe Gwenda am meisten bewundert, mit ihrer Charakterstärke, ein unbeugsamer Mut in dieser kleinen Frau der von dem Schicksal die schlechten Karten zugespielt wurden. Sie sieht nicht gut aus, wurde in eine erschreckende Familie hineingeboren und die Eifersucht des Landesfürsten scheint ihr jede Hoffnung auf Glück zu rauben. Doch sie gibt nicht auf und geht weiter, schützt ihre Liebe und ihre Familie, was auch immer die Konsequenzen für sie sein mögen.

Auch wenn dieses Buch wirklich nicht an das Niveau der „Säulen der Erde“ heranreicht, so bleibt es ein exzellenter historischer Roman auf den Sie sich freuen können. Doch machen Sie nicht den Fehler den ich begangen habe, vergleichen Sie nicht!

 

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