Nele Neuhaus – Tiefe Wunden

 Originaltitel: Tiefe Wunden

Meine Bewertung: 6,5/10

„Tiefe Wunden“ ist der dritte Fall des Bodenstein/Kirchhoff-Teams.

Wie Sie ja bereits wissen, bin ich ein Fan, ach, was sag’ ich, ein RIESEN-Fan von Nele Neuhaus!

Doch wenn dieser Roman auch ein guter Krimi ist, so muss ich sagen, dass ich ihn weniger überzeugend fand als die vorhergehenden Bände – oder auch die folgenden (ich hatte bereits den vierten und fünften Fall des unterdessen berühmten Taunus-Duos gelesen, also „Schneewittchen muss streben“ und „Wer Wind sät“ ).

Aber beginnen wir mit dem Plot:

Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff werden zum Tatort eines besonders schrecklichen Mordes gerufen, denn das Opfer ist niemand anders als der berühmte David Goldberg, ein 92-jähriger Mann und Holocaust-Überlebender.

Doch das Ergebnis der Autopsie schlägt ein wie eine Bombe: Der Gerichtsmediziner entdeckt auf David Goldbergs Arm eine Tätowierung der SS! Wer war dieser Mann also wirklich?

Und was bedeutet nur diese seltsame Zahl, die mit dem Blut des Verstorbenen geschrieben am Tatort aufgefunden wird?

Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff haben kaum ihre Ermittlungen begonnen, als man ihnen die Anordnung von oben gibt die Akte zu schließen… 

Entmutigt brechen sie ihre Untersuchungen ab, als ein zweiter Mord begangen wird: Ei weiterer betagter Mann wird ermordet aufgefunden, die Waffe und die Vorgehensweise des Täters sind identisch, und auch hier werden deutliche Hinweise aufgefunden die darauf hindeuten, dass auch dieses Opfer der SS angehörte … und dieselbe Zahl steht in Blut geschrieben neben der Leiche… Der Fall kann wieder aufgenommen werden!

Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein tauchen nun in die vornehme gehobene Gesellschaft ein, der die beiden Opfer angehörten, und sie erkennen schnell dass die reichen Familien schreckliche Geheimnisse verheimlichen, die ihr Imperium zum wanken bringen könnten wenn sie ans Lichte kämen und die dennoch so schnell wie möglich aufgedeckt werden müssen, bevor nicht ein weiterer Toter auftaucht.

Doch wenn all diese Morde mit der Vergangenheit der Opfer in Verbindung stehen, warum werden sie dann jetzt begangen, sechzig Jahre später?

 

Eine dicht gestrickter Fall. Zu dicht, vielleicht ?

Nele Neuhaus ist eine Perfektionistin, sie überlässt nichts dem Zufall, und auch hier kann man sie keines Fehlers überführen. Jedes Detail hat seine Wichtigkeit, jede Romanfigur ist ausgefeilt, jede Geschichte gut ausgeklügelt.

Ihr Stil ist klar erkennbar, mit ihrer leichten, spannenden Feder, die Kapitel fliegen nur so dahin.

Wie gewöhnlich begegnen wir ziemlich vielen Romanfiguren, aber auch hier hat die Autorin diese Vielfalt im Griff.

Kurz, die Handlung ist gut aufgebaut, das Duo Kirchhoff/Bodenstein funktioniert perfekt, das aufzudeckende Geheimnis ist beunruhigend.

Und dennoch hatte ich den Eindruck, dass es diesmal einfach zu viel war, zu dicht, zu viele Charaktere, zu komplex, zu … alles.

Es ging sogar so weit, dass die Autorin teilweise zu etwas hergeholten Ermittlungsweisen greifen musste, und daran hat sie uns nun wirklich nicht gewöhnt. So müssen zum Beispiel etwas schwierige Recherchen angestellt werden, da der Schlüssel zu diesem Fall ja weit in der Vergangenheit verborgen liegt. Zum Glück (!) trifft Pia Kirchhoff nach Jahren wieder auf eine alte Freundin, die, wieder durch einen unglaublichen Zufall, in einem Institut arbeitet welches sich mit dem Holocaust beschäftigt, und diese Freundin wird nun, aus reiner Neugier, oder auch weil sie nichts anderes zu tun hat (?) nach Polen reisen um dort für Pia zu ermitteln, und das auf eigene Kosten, ungefähr zehn Tage lang…

Sie ruft Pia dann systematisch genau im richtigen Moment an um ihr die Ergebnisse ihrer Recherchen mitzuteilen, die dann dem Fall wieder einen neuen Anstoß geben. Hmm??

Das scheint mir jetzt wirklich etwas zu „einfach“, das ist schade.

Zudem hat mir auch das Ende nicht gefallen, diese „Action“-Seite passte weder zu der Untersuchung noch zu dem Stil, an den Nele Neuhaus ihre Fans gewöhnt hat.

Dennoch kann man nur zugeben, dass die Handlung selbst sehr geschickt aufgebaut ist, das Geheimnis gut geschützt und logisch, und dass alle Puzzleteile perfekt ineinander passen (manchmal fast zu gut).

Dies ist also ein Roman den man gerne liest und lesen sollte.

Ich finde es etwas bedauerlich, dass gerade dieser Roman der erste ist, der dem französischen Publikum zugängig gemacht wurde**, denn dadurch kann der Erfolg Nele Neuhaus sehr beeinträchtigt werden, und sie bleibt momentan meine deutsche Lieblingsautorin.

Ich kann nur dazu raten, die anderen Fälle des Teams Kirchhoff/Bodenstein zu lesen, welchen Eindruck sie auch immer nach der Lektüre dieses Romans haben.

 

Die Romane der Taunus-Reihe:

  • Eine unbeliebte Frau
  • Mordsfreunde
  • Tiefe Wunden
  • Schneewittchen muss sterben
  • Wer Wind sät
  • Böser Wolf
  • Die Lebenden und die Toten

 

* In Frankreich…

Ja in Frankreich wurde Nele Neuhaus erst später entdeckt – und der erste übersetzte Roman ist weder der erste, noch der zweite Band. Nein, der erste Fall des Duos  der in Molières Sprache erhältlich war, das war ebendieser dritte Band, „Tiefe Wunden“ (übersetzt mit „Flétrissure“, was sinngemäß „die Schande“, „der Schandfleck“ bedeutet), und alle weiteren Bände sind nun auch hier erhältlich. Bis auf die ersten beiden…

Und da habe ich mich gefragt, ja warum mit dem dritten Band einer Reihe anfangen, und nicht mit dem ersten oder dann eben mit dem letzten („Schneewittchen muss sterben“ war damals gerade veröffentlicht worden und hatte in Deutschland sofort die Bestsellerlisten erobert)?

Seltsam. Aber das liegt sicher daran, dass die Franzosen immer noch ein gewisses Bild der Deutschen haben**. Und eine Geschichte ohne den zweiten Weltkrieg und Nazis war dann vielleicht nicht glaubhaft genug für einen deutschen Roman?

 

** Diese Feststellung kommt leider nicht aus heiterem Himmel sondern aus Erfahrung, denn dieses Bild ist zwar weniger präsent als noch vor zwanzig Jahren, aber es ist noch immer da. Glücklicherweise ist allerdings das heutige Bild des Deutschen in Frankreich eher positiv, trotz dieser „Schande“ der Vergangenheit (kleine Anspielung auf den französischen Titel des dritten Bandes).

 

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