Pascal Marmet – Tiré à quatre épingles

Titre original: Tiré à quatre épingles

Meine Bewertung: 6,5/10

 

Dieser nette Roman, der noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde, stammt von einem in Nizza ansässigen Autor den ich aufgrund seines Schreibstils immer wieder gerne lese.

Es handelt sich hier sicher nicht um einen Krimi den ich gierig verschlungen hätte, aber es ist ein gelungener Roman und das eben auch durch die Feder des Autors, der seine Büchern jetzt immer mehr prägt und sie klar als die seinen erkennen lässt.

Der Stil „Marmet“, das sind kleine, kurze Sätze, die nie zu lang oder sogar unendlich sind wie man das bei anderen Schriftstellern erlebt. Pascal Marmet schreibt in fast knappen Sätzen, mit sorgsam ausgewählten Worten die seine Liebe zu den Satzwendungen und Ausdrucksweisen zeigen.

Der Stil „Marmet“, das ist auch seine Liebe zu den Romanfigurn, die oft naiv sind und eigentlich immer im Laufe des Buches wachsen und an Komplexität gewinnen.

Wenn man einen Ausschnitt aus einem Marmet liest, erkennt man ihn sofort.

Nun aber zu dem Roman „Tiré à quatre épingles“ und seinem Plot:

Man vertraut Kommandant François Chanel einen neuen Fall an, er soll so rasch wie möglich den Mord an Frau Abane Saint-Germain de Ray aufklären, der Witwe des erst vor kurzem selbst ermordeten Präfekten. Zwanzig Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann war Frau Saint-Germain de Ray von einer umwerfenden Schönheit aber auch von einem teilweise sehr harten Charakter – eine schöne Frau die ihre Vorteile zu nutzen wusste und sich nicht nur Freunde machte.

Sie wurde scheinbar bei einem Einbruch, der schief gelaufen ist, erschossen … doch Kommandant Chanel zweifelt schon bald an dieser Theorie, die schon alleine durch die weiteren Mordfälle unglaubhaft gemacht wird, die sich doch recht verdächtig anhäufen.

Im Verlauf seiner Untersuchungen deckt er Motive auf, die vielleicht mit afrikanischer Kunst zusammenhängen könnten, denn das Opfer war eine begeisterte Sammlerin. Aber die Akte ist bei weitem nicht so oberflächlich…

Der Einzige der helfen könnte dieses Rätsel zu lösen ist unauffindbar. Es handelt sich um einen jungen Erwachsenen, der offensichtlich an einer Art Peter-Pan-Syndrom leidet und wie ein kleiner Kobold, von Kopf bis Fuß grün bekleidet, durch die Stadt irrt und dennoch gut versteckt bleibt. Ein junger, naiver Mann (ja, hier ist der gutgläubige Mann des Buches, wobei er nicht der einzige ist), der eigentlich entgegen seinem Willen mit in den Einbruch bei der Präfektenwitwe hineingezogen wurde, und jetzt die letzte Person ist, die das Opfer lebend gesehen hat….

UUUND?????

Der Plot ist nett und bleibt klassisch. Es sind keine plötzlichen Ermittlungssprünge zu erwarten, die Untersuchungen laufen fließend voran und die Pisten verlaufen sich ineinander. Selbst die Aufdeckung neuer Mordfälle ändert nicht viel am Verlauf der Ermittlungen sondern lenkt sie nur in neue Richtungen.

Es handelt sich also erst einmal um einen klassischen Kriminalroman, in seinem Aufbau und seinen Charakteren. Wir haben den etwas unwirschen Polizisten mit gutem Herz, dessen Sinne durch seine langjährige Erfahrung geschärft wurden und der einfach spürt wenn eine Spur gut ist … oder schlecht, wir haben auch ein Opfer welches sicher keine Heilige war und einen jungen Kleinkriminellen der sich im falschen Moment am falschen Ort befand.

Dieser Krimi schlägt aber schnell einen neuen Weg ein und zwar hin zu einem Roman der sich etwas von den Untersuchungen entfernt um sich auf die Romanfiguren zu konzentrieren. Jede Figur wird komplexer als sie zu Beginn des Buches erschien. Zu allererst natürlich unser lieber Inspektor Chanel, aber auch der junge Peter Pan oder auch Salome, die eine kleine aber überraschende Nebenrolle erhält und das Buch etwas besänftigt.

Es handelt sich um einen Roman, der mit selbstsicherer Feder geschrieben wurde, mit kleinen, gut gewählten Sätzen. Alles ist auf Recherchen gebaut, die der Autor ganz klar mit Liebe zum Detail und Freude am Werk ausgeführt hat.

Die Lektüre ist einfach aber eine große Spannung ist nicht zu erwarten, denn diese steigert sich nicht, es gibt keine wirklich „aufregenden Verfolgungsjagden“ oder „Überraschungseffekte“.

Die Freude an diesem Buch kommt hier nicht durch die Auflösung des Kriminalfalles, sondern durch die Begleitung der Charaktere und deren gemeinsame Entwicklung bis hin zum Ende.

Manches hat mir gefallen, wie zum Beispiel die unterschiedliche Wahrnehmung derselben Orte durch die einen oder anderen. So werden dieselben Plätze, wie zum Beispiel der kleine Innenhof und das Appartement des Opfers, zunächst durch die Augen der Einbrecher beschrieben und dann durch die des Kommandant Chanel, der hier ganz andere Dinge erkennt und sieht und die Örtlichkeiten ganz anders in sich aufnimmt. Diese Kleinigkeit lässt uns klar erkenne, wie gerne der Autor sich in seine Romanfiguren hineinversetzt.

Was mich zum Lächeln gebracht hat, das war die Tatsache, dass die Recherchen und Details wie immer perfekt in den Roman integriert wurden, aber nicht verhindern konnten dass ein paar Stolperfallen nicht umgangen wurden, denn ein paar kleine Fehlerchen – ohne jede Konsequenz – haben sich in die Zeilen der Genauigkeit geschlichen (ich meine keine Schreibfehler, das gibt’s immer mal). Das Alter des Opfers zum Beispiel ist unmöglich genau zu ermitteln (ich bin sicher das hätte Abane Saint-Germain de Ray gefallen!), selbst wenn man alle Seiten übereinanderlegt, die Polizeiprotokolle genau durchstudiert, die Witwe bleibt immer die „Mittvierzigerin“, sie wird teilweise wie eine „58-Jährige die aber zehn Jahre jünger aussieht“ beschrieben (wobei ich denke, dass das hier ein Tippfehler ist und eigentlich 48 sein sollte), teilweise als Vierzigjährige. Kurz, sie kann jedes Alter zwischen 40 und 48 sein, selbst in den Polizeiakten.

Weiterhin hat sie einen kleinen Unfall und hat „offene“ Brüche – ohne Blut und sichtbaren Knochen … Und dann ist es nicht die Pupille die im menschlichen Auge pigmentiert ist sondern die Iris … (zudem hat unser Peter Pan zunächst grüne Augen, die dann aber plötzliche honigfarben sind …). Kurz, ein paar kleine aber unwichtige Fehlerchen die den Verlauf des Buches nicht weiter stören.

Ich empfehle dieses Buch daher nicht unbedingt den Krimi-Fans, da ihnen ganz klar die Spannung und das Knobeln-nach-dem-Schuldigen fehlen wird, sondern eigentlich mehr den Lesern, die gerne kleine, gutgeschriebene Bücher mögen, und die mit diesem Werk an die verschiedensten Orte geführt werden (wie zum Beispiel in die Welt der afrikanischen Kunst, die wirklich im Moment in der Literaturwelt Mode zu sein scheint)

 

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