Richard Wild – Le Coq (wörtlich: “Der Hahn”)

Originaltitel: Le Coq

Meine Bewertung: 4,5/10

« Le Coq », was man wortwörtlich mit „Der Hahn“ übersetzen kann – versetzt uns in das Leben in einem kleinen Dörfchen im Hinterland von Nizza in den 80er Jahren. Eine etwas andere Welt, recht typisch, mit seinem Dorfplatz, seiner kleinen Bar in der sich die Stammgäste treffen und seinem Hahn, der morgens früh kräht um die Bewohner zu wecken.

Bis zu dem Tag, an dem er verstummt…

Dieser Roman hat wirklich starke Punkte, wie zum Beispiel die Schrift selbst, aber es fehlt ihm schrecklich an Struktur. Doch kommen wir zunächst einmal zum Plot:

Der Plot:

Wir befinden uns also im Herzen eines kleinen Örtchens in dem wir eine kleine Gruppe der Dörfler kennenlernen, darunter Lucien, der alleine mit seiner Tochter lebt und sich sein Geld durch kleine Arbeiten verdient, wie durch den Verkauf gefundener und angesammelter Dinge und der abends seine Freunde in der kleinen Dorfbar trifft wo sie alle gemeinsam ihren Alltag im Pastis ertränken.

Die Ruhe dieses stillen Dorflebens wird an dem Tag unterbrochen, an dem der Hahn nicht mehr kräht!

Es gibt nur noch einen Hahn in diesem Dorf und sein Verstummen beunruhigt den Stammtisch der Bar. Ohne Hahn ist das Dorf kein Dorf mehr.

Nach kurzen Nachforschungen scheint die Lage so zu sein, dass der Hahn, welcher Luciens Onkel gehört, nicht mehr singen darf weil ein Städter, der sich auf dem Land niedergelassen hat um hier die das ruhige, entspannte Leben und die Stille zu genießen, gegen die Ruhestörung des Federtieres Klage eingereicht habe.

Natürlich sind die Dorfbewohner schockiert, was will denn dieser Stadtmensch hier, mit seine Motorrad welches die Stille bei weitem mehr stört als der Hahn, der ja auch noch zuerst hier war!

Unterstützt von ihrem Pastis gehen sie nun in die Offensive gegen den Städter – die Verteidigung des Hahnes baut sich auf.

Und? Was verbirgt sich hinter dieser Geschichte?

Die Handlung ist äußerst simpel, wie Sie sehen, aber sie ist mit kleinen, typischen Eigenheiten angereichert und die Erzählung hat viel Persönlichkeit und schließlich malt „Le Coq“ vor unseren Augen das authentisches Bild eines Dorfes der Provence.

Wir finden in diesem Roman ganz Nizza wieder, mit seiner Sprache, seinen Angewohnheiten, seinen Traditionen und seinem unumgänglichen Pan Bagnat (welches sicher von dem Autokorrektor zwei von drei Malen in „Pain Bagnat“ verwandelt hat – denn ich denke wirklich nicht, dass der Autor einen solchen Fehler gemacht hätte).

Die Charaktere sind wie wir sie in einem kleinen Dorf erwarten, mit ihrer Traurigkeit, ihren verlorenen Lieben, ihren Ängsten, ihren Hoffnungen auf einen kleinen Moment des Ruhms, mit ihrem Bürgermeister, der uns nun wirklich sehr – zu sehr vielleicht – an Pepone erinnert, und seinem Pastor, der glücklicherweise nichts mit Don Camillo gemein hat.

Aber ist das wirklich alles?

Der Bucheinband verspricht uns eine reiche Erzählung, kündigt die „dunklen 85er Jahre“ an, spricht von den „kleinen Unternehmen der Gegend die Arbeitslose auf der Strecke lassen“, von „den neuen Armen“, kurz, „von einer tiefgründigen Veränderung“. Wenn all diese Elemente dieser Geschichte tatsächlich ein wenig Tiefe verliehen hätten, so finden wir sie in den Seiten des Buches nicht wieder. Ja, sie werden erwähnt, aber es ist nicht weil etwas in einem Nebensatz in einem Text steht, dass es ein Anteil der Handlung ist! Es reicht nicht, es zu wollen.

Diese Elemente sind kein Teil der Erzählung. Die Ideen hinter den Kulissen finden niemals ihren Weg auf die Bühne.

Dennoch hätte das alles funktionieren können.

Umso mehr, da der Schreibstil des Autors sehr lebendig ist, sehr viel Charakter wie auch Humor hat und voller witziger Ausdrücke ist.

Die Feder des Richard Wild – die man mag oder nicht – ist perfekt für einen solchen Roman! Er darf daran nichts ändern! Richard Wild hat seinen ganz eigenen, amüsanten Stil, der sehr nach „Provence“ duftet, und der zugleich seinen Humor und seine Reife ausdrückt. Ich hoffe wirklich, das er noch mehr Romane schreibt, die dann besser aufgebaut sind…

Denn hier liegt das Problem!

Wenn der Autor ohne jeden Zweifel Talent hat und auch eine charakteristische Schrift, so reicht das nicht aus.

Der Plot ist schon sehr einfach gehalten und hätte besser zu einer Novelle gepasst als zu einem Roman.

Um sie zu vertiefen, versucht der Autor erfolglos die Geschichte mit ernsthafteren Elementen anzureichern, mit einer etwas schwierigen Liebesgeschichte zwischen Lucien und Mathilde, den Bürgermeister, dem Schriftsteller, der keiner ist und all den anderen Figuren des Dorfes, wie auch mit Gesellschaftsprobleme dieser Zeit die er krampfhaft einbauen möchte, wie den unterschwelligen Rassismus, und die er alle vage an den roten Faden der Handlung klebt. Aber das funktioniert einfach nicht, es hält nicht und bleibt, sofort vergessen, im Seitengraben liegen.

Schon auf den ersten Seiten stürzt sich Richard Wild voller Begeisterung in seinen Roman – und ist zu voreilig.

Man spürt, dass er sich seine Romanfiguren genau vorstellt – aber er vergisst, sie dem Leser richtig vorzustellen, und dadurch werden wir von den sechs Hauptfiguren überfallen, die schließlich im Mittelpunkt stehen (denn es gibt noch mehr), und bis wir alles richtig eingeordnet haben und alle vor Augen sehen sind wir schon in der Mitte des Buches angelangt.

Wenn Lucien auch recht gut dargestellt wird, so bleibe alle anderen im „ungefähr“ so dass man sie beinahe verwechselt, und das obwohl man merkt, dass der Autor jedem Charakter seine eigene Persönlichkeit verleihen wollte.

Es stimmt schon, dass die Handlung um den Hahn nett ist, lustih sogar und uns so manch gelungene Szene liefert bei der wir uns ein Lächeln nicht verkneifen können. Und dennoch, diese lebhaften und sehr gelungenen Szenen werden in einer zu schwallartig gelieferten Erzählung ertränkt.

Das führt dann dazu, dass es einfach nicht funktioniert.

Vielleicht hätte er sich einfach etwas mehr Zeit nehmen sollen, um zum Beispiel die Geschichte und deren Umkreis sorgfältiger bearbeiten.

Man spürt die Leidenschaft, den Spass am Schreiben, aber es ist einfach alles zu ungleichmäßig, zwischen lustigen und packenden Momenten und nachlässigen und öden Momenten.

Umso mehr da Richard Wild zwar die Kunst des Dialogs wirklich beherrscht, wie auch die typischen Momente des Leben der Provence, allerdings sehr viel mehr Schwierigkeiten mit den ruhigen Szenen hat, denn seine Feder ist fröhlich und passt sich nur sehr schwer den inneren Gedankengängen an oder auch der Vorstellung mancher Ideen.

Ich denke, dass „Le Coq“ als Novelle perfekt gewesen wäre. Aber als Roman fehlt es hier einfach an Arbeit, besonders an den etwas ernsteren Szenen, den Übergängen, den Romanfiguren die, so wie sie jetzt sind, einfach zu verwischt oder auch karikaturenhaft erscheinen.

Ich habe mich sogar gefragt, ob es hier nicht ganz einfach an Fantasie fehlt, denn es hängen sich nur suggerierte Ideen an den Strang der Haupt-Handlung – da muss man sich einfach irgendwann fragen, ob es ihm nicht einfach an Ideen gefehlt hat, wie man diese miteinander verbinden könnte.

Nun darf man allerdings nicht vergessen, dass es sich hier um einen ersten Roman handelt. Und das wichtigste ist ganz klar vorhanden: Ein eigener Stil.

Es würde eigentlich reichen ein wenig Technik hinzuzufügen, und das kann man ja lernen – und etwas mehr Fantasie, und da muss man eben inspiriert sein und hoffen, dass die Muse den Schriftsteller küsst, denn hierauf hat die Erfahrung keinen Einfluss.

Trotz meiner doch unterdurchschnittlichen Note denke ich, dass ein solcher Schreibstil nicht verloren gehen sollte und hoffe, dass die weiteren Bücher des Autors eine ausgefeiltere Handlung und festere Struktur haben. Ich werde es sicher irgendwann einmal überprüfen…

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