Vilhelm Moberg – Die Auswanderer (Teil 1)

Originaltitel: Utvandrarna

Bewertung: Diese Reihe bewerte ich insgesamt mit einer 10, unabhängig von den einzelnen Bänden

 

In diesem ersten Teil  lernen wir die Familien der zukünftigen Auswanderer kennen sowie auch die Gründe ihrer Reise.

Diese Buch ist ein sehr gekonnter Prolog. Durch die jeweiligen Geschichten lernen wir unsere zukünftigen Freunde kennen, und das vor ihrem grossen Abenteuer, in einem Moment in dem sie noch durch ihre Erziehung, ihr Leben unter dem Joch des schwedischen Königs und der evangelisch-lutherischen Religion, die dieser ihnen vom Klerus aufgezwungen wird geprägt sind. Sie wissen noch nicht was Freiheit ist, sei es nun Rede- oder Gedankenfreiheit.

Diese Männer und Frauen kämpfen sich durch das harte und kalte Leben in der Kirchengemeinde von Ljuder im Smâland. Das Leben ist hier karg und schwer, das eigentliche Überleben nicht gewiss, schreckliche Tragödien treffen die Familen, die Hungersnot droht jeden Moment einzubrechen.

Die Zukunft ist so ungewiss, dass im Jahr 1849 eine kleine Gruppe der Kirchengemeinde von Ljuder beschließen, im Frühjahr 1850 eine gefährliche Reise ins Ungewisse anzutreten. Sie sind alle in dieser Gemeinde geboren, sie kennen nur diese Landschaft, diese Sprache, diese Lebensweise. Dennoch werden sie dieses Abenteuer wagen und die ersten Emigranten ihrer Gemeinde sein.

Wer sind diese Männer und Frauen, die ihrem Schicksal einen anderen Verlauf geben wollen?

Da sind zunächst Karl Oskar Nilsson und seine Frau Kristina mit ihren Kindern: Karl Oskar hat den Hof seines Vaters übernommen, aber egal wieviel Arbeit, Geduld und Mühe er auch in seine Arbeit steckt, es hilft nichts, er verliert immer mehr Geld und schafft es nur knapp seine Familie am Leben zu erhalten. Für ihn gibt es nur eine Lösung, und das ist die Gemeinde zu verlassen und die reichen Länder die es in Amerika zu finden gibt zu entdecken.

Karl Oskar ist ein ehrlicher, aufrechter Mann der keine Mühe scheut und von den Früchten seiner Arbeit leben möchte um seiner Familie ein leichteres Leben zu bieten. Er scheut vor keiner Aufgabe zurück aber denkt, dass es nur normal ist wenn man auch erntet was man gesät hat. In seinen Augen gibt es immer einen Weg zu handeln, er gibt niemals auf.

Kristina, seine Frau, begleitet ihn; sie ist genauso mutig und scheut genausowenig die Arbeit, aber sie ist auch sehr fromm und sehr unschuldig. Für sie ist der Aufbruch eine schwere Prüfung. In diesem Jahr 1850 ist Kristina eine junge, von ihrer Erziehung geprägte Frau die nur für die Liebe ihres Mannes und ihrer Kinder lebt. In ihrer Treue folgt sie also ihrem Mann in das Auswanderungsabenteuer.

Karl Oskars Bruder, Robert Nilsson, ist ebenfalls mit von der Reise. Dieser junge Mann von fünfzehn Jahren dient einem Bauernhof, hat aber die größten Schwierigkeiten seinem Herrn zu gehorchen und noch größere Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass er keine wirkliche Zukunft hat.

Sein Traum ist es, zu gehen, und er ist es auch der die Idee einer Auswanderung wirklich aufbringt, er ist es, der sich ein Buch des verheißenen Landes besorgt, er ist es, der die anderen zum Aufbruch ermutigt.

Robert ist ein junger Träumer der frei heranwachsen will – und der so wenig wie möglich arbeiten möchte. Er hat auch die Ehrlichkeit dies offen einzugestehen. Dabei ist er nicht faul, ganz im Gegenteil. Es ist nur so, dass er die Arbeit, die ihm anvertraut wird, verachtet. Er sehnt sich nach der Freiheit sein Leben selbst bestimmen zu können. Er schaut über die möglichen Horizonte hinaus. Und so verfolgt er nun sein Ziel, das er eigentlich selbst nicht wirklich kennt.

Arvid Petterson, ebenfalls ein Hofdiener, ein Kollege und Freund von Robert Nilsson, möchte aus einem ganz anderen Grund mitkommen: Es geht ein Gerücht um, ein Gerücht welches es ihm vollkommen unmöglich macht jemals eine Familie hier im Smâland zu gründen. Er hat Robert gehört, als dieser von Amerika erzählte und beschlossen, dort nach seinem Glück zu suchen. Arvid ist geistig leicht eingeschränkt und folgt so Robert dorthin, wo dieser ihn hinsendet; die beiden versprechen sich also gemeinsam die Neue Welt zu entdecken und sich niemals zu trennen, was auch geschehen mag. Zu zweit sind sie bereit, dieses Abenteuer anzutreten und ihren Traum nach Freiheit zu erfüllen.

Danjel Andreasson, seine Frau Inga-Lena sowie deren Kinder sind ebenfalls bei der Reise dabei. Dieser Farmer verlässt seine Heimat nicht weil er hier nicht mehr überleben kann sondern weil er seine eigene Religion gegründet hat, was von dem Klerus und den Landesbehörden natürlich nicht gut aufgenommen wird. Hier in Schweden, Am Ende des 19ten Jahrhunderts, hat er nicht das Rechte die Bibel vorzulesen und zu kommentieren. Er wird auch aus der Kirche ausgestoßen und mehrfach zu einer Geldstrafe verurteilt und riskiert so oder so das Exil. Doch Danjel, tiefgläubig, ist fest davon überzeugt, dass das Leben für ihn in Amerika leicht wird. Dort wird ihm niemand vorschreiben, wie er sich zu verhalten hat, in Amerika herrscht eine absolute Religionsfreiheit, und so gesellt er sich also zu den Auswanderern. Diesen gegenüber hat er einen Vorteil: Er wird keinerlei Schwierigkeiten mit der Kommunikation haben, denn bei seiner Ankunft wird der heilige Geist über ihn kommen und er wird so der englischen Sprache mächtig sein! Seine Frau, tief verliebt und voller Vertrauen, folgt ihm. Wo er auch hingehen mag, dort geht auch sie hin.

Weiter wird die Gruppe von Ulrika de Västergöhl und ihrer Tochter Elin begleitet. Ulrika folgt Danjel Andreasson. Nichts hält sie hier zurück. Sie ist die einzige, die Schweden ohne jegliches Bedauern verlässt, sondern mit einem Lächeln auf den Lippen, denn hier lässt sie nichts als schlechte Erinnerungen, denn sie ist eine ehemalige Hure. Von allen wegen ihrem „Beruf“ herablassend behandelt hat Ulrika einen starken Charakter entwickelt, den sie durch die jahrelang würdevoll in Stille ertragene Verachtung gestärkt hat. Ihr Leben war hart, von vier geborenen Kindern hat nur Elin überlebt. Ulrikas Anwesenheit gefällt nicht allen und insbesondere Kristina hat große Schwierigkeiten „diese Frau“ auf der Reise zu akzeptieren.

Elin, die Tochter der Dirne, deren Vater unbekannt ist, folgt selbstverständlich ihrer Mutter. Als Tochter einer ehemaligen Hure hat sie keine Zukunft in Ljuder. In Amerika kann das nicht schlimmer sein – und man sagt, dass es dort so wenig Frauen gibt, dass diese bedient werden statt zu bedienen.

Zu guter Letzt begleitet noch Jonas Petter Albrektsson die Gruppe. Er ist ein Bauer von fas fünfzig Jahren der Schweden und seinen Hof mit dem einen Ziel verlässt: Seiner Frau zu entkommen. Und da seine Nachbarn nach Amerika gehen, folgt er ihnen und lässt so einen Ozean zwischen sich und seinem Weib.

Ein guter erster Teil, der einem Appetit auf mehr macht. Wir haben hier einen ersten Einblick und lernen die Romanfiguren kennen, denen wir nun auf die lange Reise folgen werden.

 

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