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C.J. Sansom – Tombland (Matthew Shardlake book 7)

Originaltitel: Tombland

Meine Bewertung: 7,5/10

Diesem siebten Band dienen die Bauernrevolten des 16. Jahrhunderts als Kulisse. Hier beginnen die Überzeugungen von Matthew Shardlake zu wanken, als er mit ihm bislang unbekannten Situationen konfrontiert wird.

Er verfolgt jedoch weiterhin sein einziges Ziel: Die Wahrheit zu entdecken und den wirklichen Mörder von Edith Boleyn zu überführen.

 

Der Plot:

Nach dem Tod Henri VIII herrscht sein Sohn Edward – oder eher sein Onkel, da der König erst elf Jahre alt ist.

Das Land steht am Abgrund, die Bauern beginnen sich offen darüber zu beschweren, dass die Lasten die Ihnen von den Fürsten auferlegt werden zu schwer sind und letztere ihnen nun auch noch die Ländereien vorenthalten die ihnen zum Überleben unabdingbar sind.

Die Hungersnot droht, die Inflation treibt die Bescheidenen in die Armut und die Armen in den Tod am Straßenrand.

Seit dem Tod des Königs arbeitet Matthew Shardlake für Lady Elizabeth, die jüngste Tochter des verstorbenen Königs. Diese bitten ihn, einen Mord aufzuklären dessen Umstände mehr als merkwürdig sind und dessen man einen Mann anklagt, mit dem die junge Prinzessin über ihre Mutter verwandt ist: Edith Boleyn wurde ermordet aufgefunden und alles weist auf ihren Mann, John Boleyn, als Täter hin. Die politischen Auswirkungen wären offensichtlich und so bittet Lady Elizabeth den buckligen Anwalt die Wahrheit aufzudecken, wie diese auch aussehen mag.

Der Anwalt bricht somit auf und trifft auch wieder auf seinen ehemaligen Assistenten, Jack Barak. Als die Untersuchungen fortschreiten und Zweifel an der Schuld von John Boleyn aufkommen lassen, bricht die Bauernrevolte aus.

Matthew Shardlake und seine Assistenten werden mit in die Revolte und auch das Lager der Bauern, die die Waffen ergriffen haben, hineingezogen.

Die Gefahr ist allgegenwärtig, aber auch die politischen Intrigen bleiben nicht fern. Im Herzen des Lagers finden sich die Fäden wieder die zum Mörder der Frau von John Boleyn führen. Hier, in diesem sumpfigen Lager, abgeschlossen von all seinen Kontakten und ohne seinen Ruf scheint Matthew Shardlake den Schlüssel zu dem Geheimnis yu finden. Doch ist es nicht ausreichend die Wahrheit aufzudecken, man muss diese auch noch weitertragen können ohne dabei das Leben zu verlieren…

Meine Meinung:

Dieser siebte Band der unglaublichen Reihe unterscheidet sich leicht von seinen Vorgängern. Die Intrigen sind weiterhin vorhanden, die politische Vorsicht noch unumgänglicher als in den Jahren zuvor und doch… Hier lauern die Gefahren nicht mehr in den hohen Sphären sondern in den Feldern.

Als Matthew Shardlake mit in die Bauernrevolte hineingezogen wird fällt es ihm schwer die Wahl zu treffen wem er seine Treue halten sollte und seine Loyalität wird einer schweren Prüfung unterzogen.

Dieses Buch hat mich weniger mitgerissen als das vorherige – das aber auch ungemein gelungen war – aber ich empfand es als verstörender. Das Leben im Lager der Rebellen hat großen Einfluss auf den Fall und die Untersuchungen. Nicht nur der Leser wird durch den Ausbruch der Rebellion aus dem Rhythmus gebracht, auch  der gebuckelten Anwalt findet sich in einer für ihn bislang unbekannten Lage wieder.

Auch hier ist der Verrat niemals weit, die Krankheiten, Intrigen, der Schatten einer Justiz die keine Gerechtigkeit verspricht.

Der Lesespaß ist – wie immer – immens, schon allein durch die Romanfigur des Matthew Shardlake, seine Beobachtungen und persönlichen Zweifel die dem Buch eine intensive Farbe verleihen. Seine Meinungen, die immer so sicher waren, beginnen zu wackeln und auch seine Anwaltsrobe verleiht ihm keine Sicherheit mehr.

Doch die Klarsicht des Anwalts hat nicht darunter gelitten, es entgeht ihm kein Detail.

 

Dies ist zudem auch ein Roman, in dem man die Feinfühligkeit des Autoren bewundern kann, dessen Beobachtungsgabe und feine Wortwahl es erlauben weit mehr zu vermitteln als man zu lesen denkt.

In dieser Feinfühligkeit liegt auch der Grund meiner Wahl, diesen Kommentar im Monat April zu veröffentlichen.

Im Verlauf des Romans begegnen wir einem jungen Mann, Simon. Dieser große Jugendliche – der nur eine Statistenrolle in diesem Roman hat – wird wie alle weiteren Romanfiguren beschrieben, das heißt mit Liebe zum Detail. Er zieht sofort die Sympathie des Lesers an und man muss ihn einfach ins Herz schließen.

Simon ist ein Junge der gerade der Jugend entwachsen ist und hart arbeitet. Er hat ein Herz aus Gold und begreift die Boshaftigkeit die ihn umgibt genauso wenig wie er erkennt wenn man sich über ihn lustig macht. Diese Naivität zusammen mit seiner beinahe krankhaften Ehrlichkeit macht ihm das Leben noch schwerer als seine Ungeschicklichkeit. Aufgrund seiner Besonderheiten – er singt und tanzt gerne, er sagt immer genau das was man gerade nicht laut sagen sollte und gestikuliert mit den Armen wenn er unruhig wird – ist er das leichte Opfer seiner Kameraden die sich nicht nur über ihn lustig machen sondern ihn auch körperlich heimsuchen, so dass er keine Arbeit behalten kann.

Dank des Scharfsinns von Matthew Shardlake erfahren wir, dass Simon jedoch nicht so simpel ist wie alle denken.

Einige der Leser werden schon erkannt haben, was Simon uns hier vermittelt, andere werden ihr Herz dieser liebenswerten Figur schenken ohne dies zu wissen.

Simon befindet sich offensichtlich auf dem autistischen Spektrum, ich kann mir vorstellen dass er einen hochfunktionaler Autist ist oder das Asperger-Syndrom hat. Dies wird in keinem Moment an- oder ausgesprochen, der Autor insistiert hier keineswegs. Diese Romanfigur ist nur eine von vielen die dem Buch seine eigene Farbe und Tiefe verleihen. Dennoch erkennt man schnell, dass dem Autor die Besonderheiten der Autisten nicht unbekannt sind, deren Realität er hier so gut zu beschreiben vermag.

Denn dies ist die Realität! Es sind nicht die Ausnahmepersönlichkeiten, die wir im Fernsehen sehen. Nein, dies ist die Wirklichkeit, damals wie heute!

Die Autisten leben mit Ihren Eigenarten – die nicht störend wären wenn diese akzeptiert oder auch nur toleriert würden!

Dieser Roman zeigt uns dies auf eine sanfte Art und Weise, wodurch er uns geschickt zur Akzeptanz auffordert.

Simon ist ein wunderbarer Mensch mit einer Gabe für Pferde. Er könnte glücklich sein und wie alle anderen ein gutes Leben führen, wenn man ihn nicht aufgrund seiner Sonderlichkeiten schlagen, verfolgen oder anderweitig quälen würde. Ohne jeden weiteren Grund.

Matthew Shardlake – der selbst ausreichend, in seinen Verwachsungen begründete Schwierigkeiten gemeistert hat – sieht wie leicht es sein könnte dem Jungen ein glückliches Leben zu schenken.

Und dies ist also der Grund warum ich diesen Kommentar im Monat April veröffentliche – der Monat für die Akzeptanz von Autismus.

Aber bitte, denken Sie bei der Lektüre nicht nur hieran! Lesen Sie dieses Buch nicht auf der Suche nach Simon, Sie würden Ihre Zeit verlieren! Simon ist nur ein liebenswerter Statist. Aber ein ganz besonderer liebenswerter Statist.

 

In der « Matthew Shardlake » – Reihe sind bis zum heutigen Tag folgende Titel erhältlich:

  1. Pforte der Verdammnis (Dissolution)
  2. Feuer der Vergeltung (Dark Fire)
  3. Der Anwalt des Königs (Sovereign)
  4. Das Buch des Teufels (Revelation)
  5. Pfeil der Rache (Heartstone)
  6. Die Schrift des Todes (Lamentation)
  7. Tombland (noch nicht auf Deutsch erhältlich)
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