Kathryn Stockett – Gute Geister

 

Originaltitel: The Help

Meine Bewertung: 8,5/10

Dies ist ein erster Roman vor dem ich meinen Hut ziehe!

Ein Roman der ein Thema aufnimmt, das schon oft verarbeitet wurde – und dennoch entdecken wir beim Lesen dieses Werks neu eine noch nicht lange vergangene Welt die wir doch bereits vergessen hatten:

 

„Gute Geister“ versetzt uns in die 60er Jahre

Wir schreiben das Jahr 1962. 1962, das war ja eigentlich gestern. Unser Eltern lebten ihre Jugend aus, Kennedy war Präsident. Und ja, wir gehen nach Amerika, nach Mississippi.

Die Rassentrennung ist hier ein Fakt, niemand stellt sie in Frage oder hinterfragt auch nur ihren Grund. Das heißt, schon, aber eine solche Meinung auch nur auszudrücken, vor allem hier in Mississippi, kann dramatische Folgen haben!

Die Weißen leben auf der einen Seite, die Schwarzen auf der anderen. Letztere haben nicht das Recht, dieselben Toiletten zu benutzen, ihre Meinung auszudrücken, ein Schwarzer, der ermordet wurde ist nicht mehr als ein Ereignis über das man spricht aber kein Verbrechen, ein junger Mann der so verprügelt wird dass er davon blind wird ist auch nur eine Erwähnung um den Kaffee wert und schockiert niemanden.

Die Schwarzen bedienen die Weißen. So ist die Welt.  

Doch langsam verändern sich die Dinge. Noch nicht hier, im Süden, doch auch hier hört man von dem ersten schwarzen Studenten der – unter Eskorte – die Universität besucht erreichen auch die kleine Stadt Jackson, der Name des Martin Luther King gelingt auch hier bis an die Ohren der schwarzen Bevölkerung, die nur staunen kann.

In der kleinen Stadt Jackson sind wir weit entfernt von allem was auch nur mit der simplen Hoffnung auf Toleranz zu tun haben könnte.

Und hier treffen wir nun auf drei Frauen:

Skeeter, eine junge, weiße Frau (es ist schon seltsam dies zu erwähnen!) von zweiundzwanzig Jahren die mit ihrem Diplom in der Tasche nach Hause zurückkehrt – doch von der die Mutter tief enttäuscht ist, denn sie kommt ohne Verlobten, ohne Ring am Finger – da fragt man sich schon warum ein junges Mädchen studiert wenn es nicht ist um einen Ehemann zu finden!?

Skeeter kehrt also zurück – und muss feststellen, dass Constantine, ihr Kindermädchen, die immer da war, die ihre Vertraute war, verschwunden ist. Ihre Mutter weigert sich ihr zu sagen wo sie ist und dieses plötzliche Verschwinden beschäftigt Skeeter sehr.

Aibileen, eine schwarze Bedienstete (dies scheint tatsächlich der einzige Beruf zu sein, auf den eine schwarze Frau hoffen kann). Mit siebenundfünfzig ist sie mit der Aufgabe betraut sich neben dem Haushalt auch um ein kleines Mädchen zu kümmern.

Aibileen ist eine herzensgute Frau, die Kinder die ihr anvertraut werden von herzen liebt, die zu allen Forderungen der weissen Frauen „ja“ sagt weil man das einfach so macht, und weil jedes andere Verhalten sie ihre Arbeit kosten könnte. Doch Aibileen hat ein Jahr zuvor ihren Sohn verloren, und dieser Verlust hat etwas tief in ihr verändert. Ihre Wahrnehmung der Welt, die sie umgibt, ändert sich, sie beobachtet etwas mehr. Und so sieht sie diese zweigeteilte Welt klarer vor sich, eine Welt zwischen schwarz und weiß, Felder, die sich berühren aber niemals überschneiden.

Und dann ist da noch Minny, eine weitere Bedienstete, deren größter Fehler es ist dass sich nicht weiß wann sie schweigen sollte – und das ist für sie sehr schlimm, denn so kann sie keinen Platz halten, kein Weißer toleriert, dass eine Schwarze ihre Meinung sagt.

Glücklicherweise vermag es ihre Freundin Aibileen ihr zu einem Platz bei einer weißen Frau zu verhelfen, die ein wenig außerhalb der Gesellschaft lebt, mit der sie sich nicht zu vermischen mag…

Der Roman „Gute Geister“ wird aus der Perspektive dieser drei Frauen geschrieben, aber wir treffen hier auch auf die Welt der „Weißen“, denn die weißen Frauen scheinen ihre Bediensteten vollkommen zu ignorieren, deren Ohren jedoch alles hören was gesprochen wird und somit oftmals mehr wissen als ihre Herrinnen.

Und so erfahren wir die Geheimnisse, sehen unverständliche Verhaltensweisen und entdecken auch allgemein das Leben in dem Städtchen Jackson, welches aus Kungeleien, Neid und Erscheinungsbild besteht.

Wir begreifen nun auch, warum die schwarzen Frauen nicht früher rebelliert haben! Wir spüren den Schmerz, schweigen zu müssen, die Demütigungen und das Unwissen der weißen Frauen ertragen zu müssen. Wir erkennen die menschliche Dummheit, die kleinen Boshaftigkeiten, die teilweise unbeabsichtigt doch manchmal auch beabsichtigt sind.

Skeeter kehrt mit einem neuen Blick nach Jackson zurück, sie nimmt ihre Gewohnheiten wieder auf doch sieht am Rande ihrer Warnehmung ein wenig mehr als zuvor… und wird sich erst jetzt der Anwesenheit und Stellung der schwarzen Frau bewusst – doch Vorsicht, im Geheimen, denn niemand darf auch nur ahnen, dass sie mit den schwarzen Bediensteten spricht, das wäre für die einen wie die anderen sehr gefährlich.

Langsam werden die drei Frauen die alles trennt trotz all der Gefahren und Unverständnisse zu Freundinnen.

 

Also?

Mit diesem Buch begeben wir uns in eine andere Welt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das alles erst fünfzig Jahre her ist! Das ist ja gar nichts, wie kann das nur möglich sein?

Wir erleben gemeinsam mit Skeeter die Schwierigkeiten in der Gesellschaft der Weißen und mit Aibileen und Minny die Armut die den Schwarzen aufgezwungen wird, und wir erleben auch all diese kleinen Details die die schwarze Bevölkerung ertragen muss, diese Linie die von den Weißen gezogen wurde um die Schwarzen von sich fernzuhalten.

Die Besonderheit dieses Romans ist der Stil der Autorin, der ein großes Talent verrät: Kathryn Stocket passt ihre Schrift jedem Charakter an der in dem jeweiligen Kapitel die Hauptrolle einnimmt. So drückt sich Aibileen mit der Sprache einer „schwarzen Mama“ aus, wie man sie sich so vorstellt, während Minny direkter und Skeeter gebildeter in ihrer Ausdrucksweise ist. Diese sprachlichen Nuancen geben der Erzählung etwas Authentisches, man hat den Eindruck es handle sich um ein tatsächliches Zeugnis dieser Zeit.

Was sehr erstaunlich ist, das isgt dass hier die kleinen Dinge, die im Verlauf eines Satzes erwähnt werden, den Leser mehr berühren können als die grossen Ungerechtigkeiten auf die von allen hingewiesen wird.

Die Schicksale der schwarzen Familien sind wirklich sehr hart, man fragt sich wie die Frauen das ertragen konnten! Und das während sie sich liebevoll um die Kinder derjenigen kümmerten, die alles was ihnen teuer und wertvoll war zerstörten! Und wissend, dass sie eines Tages von ebendiesen Kinder, die sie so betreuten, verachtet werden würden!

Kurz gesagt: Ein lebendiger, sehr lebendiger Stil.

Alle Romanfiguren haben einen eigenen, unverkennbaren Charakter und jede Romanfigur, sei sie nun weiß oder schwarz, ist fein ausgearbeitet, man entdeckt nach und nach dass jene, die nichts sagen oftmals am meisten tun, dass alle eine Vergangenheit haben, ein geheimes Leben unter der Maske des öffentlichen Erscheinungsbildes, Gefühle, von denen niemand etwas weiß.

Ein mehr als beeindruckender erster Roman, unglaublich vollendet, sei es nun was die Charaktere oder den Stil angeht.

Die Handlung selbst bleibt jedoch nebensächlich, ich denke, dass ich sie in meiner Zusammenfassung noch nicht einmal erwähnt habe, aber es stimmt schon, dass es in „Gute Geister“ mehr die „kleinen Geschichten des Alltags“, die Beziehungen, die Entwicklungen sind, die dieses Buch tragen.

 

Ein zu lesender Roman!!

 

 

 

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