Passagier 23

Sebastian Fitzek – Passagier 23

Originaltitel: Passagier 23

Meine Bewertung: 6/10

Okay, „Passagier 23“ ist wirklich ein angenehm zu lesendes Buch, mit seinen Überraschungsmomenten und seiner teilweise beängstigenden Stimmung… Doch mit zu vielen Bemühungen um „Effekte“ die den Leser beeindrucken sollen wird hier das Wesentliche vergessen, eine strukturierte Handlung.

Dennoch bleibt dieser Roman ganz klar über dem Durchschnitt.

 

Aber kommen wir zunächst einmal zum Plot:

Martin Schwartz, ein durch ein persönliches Drama moralisch gebrochener Polizist, erhält einen erstaunlichen Anruf: Eine ältere, ziemlich exzentrische Dame, die sich permanent auf der „Sultan of the Seas“, einem Kreuzfahrtschiff, eingemietet hat, lädt ihn ein und behauptet Informationen zu besitzen, die ihm Auskunft über die letzten Momente seiner Familie geben könnten…

Martin zögert, denn es ist genau hier geschehen, auf diesem Schiff, hier zerbrach vor fünf Jahren sein Leben als seine Frau und sein Tochter spurlos verschwanden. Die Untersuchung ergab, dass seine Frau zunächst ihren Sohn getötet habe bevor sie sich selbst das Leben nahm indem sie über die Reling sprang. Martin hat niemals an diese Sachlage geglaubt.

Als er nun auf das Kreuzfahrtschiff betritt wird er mit einer so ähnlichen Situation konfrontiert wie die, die er selbst erlebt hat, dass dies kein Zufall sein kann: Ein kleines Mädchen, welches vor zwei Monaten von seiner Mutter getötet wurde die ihr dann in den Tod folgte, ist scheinbar wieder aufgetaucht! Zwei Monate nach ihrem Verschwinden und ihrem offiziellen Todesdatum wurde die elfjährige Anouk des Nachts aufgegriffen als sie über die Decks geisterte!  

Wo war sie all die Wochen? Und ihre Mutter, lebt auch diese noch?

Leider kann das kleine Mädchen Martin nicht weiterhelfen, denn durch die schrecklichen Misshandlungen die sie erleiden musste steht sie unter einem tiefen Schock, der sie in einen Mutismus getrieben hat. Das Schlimmste daran ist, dass die Reederei, der das Schiff gehört diesen Fall verschweigen will, wenn nötig indem sie den einzigen Zeugen beseitigen lässt…

Martin beginnt zu ermitteln und steht schon bald dem Kapitän gegenüber der, zufällig oder nicht, derselbe ist, der schon vor fünf Jahren das Schiff kommandierte…

Eine Handlung, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, die einen beunruhigt… Was geht in dieser schwimmenden Stadt vor sich?

 

Meine Meinung:

Die Idee des Romans ist zweifellos gut, die Art und Weise Spannung aufzubauen gehört zu einem von Sebastian Fitzeks Talenten. Aber hier wollte er einfach zu viel einbauen.

Zwischen den karikaturenhaften Romancharakteren, den Bemühungen, alles immer noch krasser zu machen um den Leser zu schockieren, den Überraschungsmomenten die sich anhäufen, der fehlenden Struktur und Flüssigkeit war das alles einfach zu vollgestopft und nur wenig glaubhaft.

Was nun wirklich bedauernswert ist, denn der Plot klingt ja nun wirklich spannend und der Autor ist zu Unglaublichem fähig.

 

Beginnen wir mit einem Pluspunkt: Dem Stil

Auf Seite zwei habe ich wirklich Angst gekriegt. Ehrlich. Ich hätte beinahe das Buch wieder hingelegt, aber da ich den Autoren ja kenne habe ich weitergelesen, womit ich recht hatte, denn er hat sich wieder gefangen und daraufhin den Roman in seiner üblichen wachen und fesselnden Schrift verfasst.

Warum habe ich mich erschrocken? Nun auf Seite zwei müssen wir einen dieser billigen Sätze lesen die nun wirklich von zweifelhaftem Niveau sind: Dort steht „Die Angst sprang ihm wie ein Klappmesser aus den Pupillen“ – nein wirklich, das ist ja wirklich fast peinlich.

Aber ich kann Sie beruhige, dies ist die einzige Formulierung dieser Art, Gott sei Dank. Er findet schnell zu seinem üblichen farbigen Stil, wie mit seinem doch eher netten „in (ihrem) Gesicht verunglückte ein Lächeln“.

 

Ein spannendes Buch, aber…

Man kann nicht verneinen, dass dieses Buch einen fesselt, dass die Geschichte einen mitreißt, der Autor zieht uns mit in diese Jagd quer über die Decks des Schiffs… Doch wird die Grundidee durch zu viele Effekte ertränkt (und hopp, schon habe ich eine Anspielung auf „Wasser“ eingefügt, ja das war Absicht).

In diesem Roman sprüht Sebastian Fitzek nur so vor Ideen, Handlungswendungen, Überraschungen, Rätseln, und er möchte offensichtlich all dies mit seinen Lesern teilen. Doch wie das so oft der Fall ist, ist es auch hier einfach zu viel.

Vor allem auch deswegen, weil die verschiedenen Szenen nicht wirklich flüssig ineinander übergehen, teilweise stehen wir vor einer Aneinanderreihung verschiedener Szenen, die gerne beunruhigend oder erschreckend wären. Dieses fehlen an flüssigen Übergängen scheint mir besonders für einen Kreuzfahrt-Thriller ungünstig (ja, okay, ich gebe es zu, meine „Wasser-Witze sind wirklich unglaublich dünn, ich werf’’ sie jetzt besser gleich über Bord...).

Nein, ernsthaft, es gibt hier zwar Rätsel, aber es sind eben zu viele und sie stecken alle einfach irgendwie planlos ineinander. Dieser fehlende Aufbau ist ziemlich offensichtlich und beeinträchtigt das Gesamtwerk, welches dadurch fadenscheiniger und weniger glaubhaft wird.

Was mich auch gestört hat, das war dass ich etwas sofort gesehen und verstanden hatte, was dann schließlich erst am Ende „aufgedeckt“ wurde und das hat mich dann doch etwas verstört denn es schien mir ziemlich auffällig. Ich glaube nicht, dass ich hier die Einzige war. Manchmal sollte man schon mit der Aufmerksamkeit der Leser rechnen, die mehr sehen als man denkt.

Also, zu viele Informationen, zu viele Rätsel, zu viele Aktionen stehen hier zu wenig Struktur und Flüssigkeit gegenüber.

 

Ich beende meinen Beitrag mit ein paar Worten zu den Romanfiguren: In meinen Augen waren alle Charaktere zu karikaturenartig, angefangen mit Martin selbst, der zu sehr abgedriftet ist, zu „irr“ um glaubhaft zu sein. Dann ist da noch Gerlinde Dobkowitz, die alte Dame die gerne Miss Marple auf Urlaub mit einer Schriftsellerfeder wäre, der Kapitän der ein wirklicher Verlierer ist der in seiner Position somit lächerlich wirkt, der Besitzer der Reederei der einen zu stark an einen Mafiosi erinnert oder gar dessen Neffe, ein Idiot mit zu viel Muskeln usw.

 

Insgesamt hat man den Eindruck dass es diesem Buch gut getan hätte, große Teile der Handlung herauszuschneiden aber dafür den Rest feiner zu bearbeiten und dabei die Romanfiguren zu vertiefen.

Trotz alledem bleibt dieser Thriller über dem Durchschnitt, denn man kann nicht leugnen dass er spannend ist, was in dieser Art Buch ja wohl am wichtigsten ist, und uns seinen Anteil an „Aha-Momenten“ bietet, dies alles in einem Stil der sich perfekt für eine Wochenendlektüre eignet.

Dann ja, dieses Buch lässt sich entspannt in zwei Tagen lesen, es scheint mir also bestens geeignet für ein gemütliches Wochenende vor dem Kamin… oder auf einer Kreuzfahrt…

 

Noch eins: Verpassen Sie auf keinen Fall den Epilog, der sich hinter den Danksagungen verbirgt.

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