Iny Lorentz – Die Wanderhure

Originaltitel: Die Wanderhure (Band 1)

Mon appréciation: 7/10

Wir schreiben das Jahr 1410, die junge Marie, Tochter eines reichen Händlers, bereitet sich auf den schönsten Tag ihres Lebens vor: Morgen wird sie Magister Ruppertus Splendidus heiraten, einen angesehenen Advokaten der in den vornehmsten Kreisen verkehrt und eine glänzende Zukunft vor sich hat.

Doch hatte Ruppertus von Anbeginn andere Pläne als das sittsame Mädchen zu ehelichen; sein Ziel war es, eine ausgiebige Mitgift zu erhalten und sich der Reichtümer des Vaters, Matthis Schärer, zu bemächtigen.

So beschuldigt er am Abend vor der Trauung – doch nach Unterzeichnung vor Zeugen eines Ehevertrages – das Mädchen der Unzucht und behauptet, sie sein keine Jungfrau mehr, da sie mit mehreren Männern gegen Entlohnung geschlafen habe. Zur Bestätigung dieser Anklage führt er Zeugen vor, die bestätigen mit dem jungen Mädchen Spaß gehabt zu haben. Marie wird in eine Zelle des Ziegelturms gesperrt, wo sie auf eine Untersuchung durch eine Matrone wartet, welche ihre Tugend bestätigen soll. Doch im Laufe der Nacht wird sie vergewaltigt, und so kann die Untersuchung nur die Anklage des Advokaten bestätigen und Marie wird nun, statt Ruppertus zu heiraten, zur öffentlichen Züchtigung und Verbannung aus der Stadt Konstanz verurteilt.

Als sie halbtot im Straßengraben liegt, wird sie von der Wanderhure Hiltrud gefunden, welche sie bei sich aufnimmt.  

Ihre Zukunft steht nun in Marmor geschrieben: Marie wird lernen müssen, sich ihr Leben auf dieselbe Art zu verdienen wie ihre Retterin, als Kurtisane die ihre gegen Geld ihre Reize all denen anbietet, die zahlen können.

Das Leben einer Wanderhure ist hart. Von allen verachtet, muss sie ihre Kleidung mit gelben Bändchen versehen damit all die ehrlichen Menschen wissen mit wem sie es zu tun haben. Vor allem aber sind die Kurtisanen der Grausamkeit der Männer ausgesetzt, die versuchen die schutzlosen Frauen auszunutzen.

Marie denkt daran sich das Leben zu nehmen – aber ihr Zorn auf ihren ehemaligen Verlobten und dessen Komplizen ist zu stark. Sie will Rache, und sie wird nur dafür weiterleben. Und so erträgt sie dieses Dasein indem sie mit ihrem Hass den Mann verfolgt der immer mächtiger wird während sie selbst immer tiefer auf der sozialen Leiter hinunterrutscht.

Wie kann sie nur Gerechtigkeit erlangen, wer wird einer simplen Wanderhure glauben und nicht einem Adligen, dem das Ohr des Kaisers gehört?

 

Dieser erste Band einer ganzen Reihe (die bis zum heutigen Tag 6 Bände zählt) führt uns in eine desillusionierte Welt, die der Frauen von leichter Zunft, der Frauen, die sich in Zelten für ein paar Pfennig verkaufen müssen um zu überleben.

Krankheiten, Gewalt und kalte Winter überleben, das ist der Kampf jeden Augenblicks.

Um dies zu schaffen halten Marie und Hiltrud fest zusammen und versuchen, in der Gosse in die man sie geworfen hat, ein Minimum an Würde zu bewahren.

Dieser Roman ist ganz klar hart, denn die Gewalt die Marie und ihre Freundinnen ertragen müssen ist alltäglich. Die Autoren (Iny Lorentz ist ei Pseudonym hinter welchem sich ein Autorenehepaar verbirgt, Elmar und Iny) beschreiben realistisch und fast ohne Rückhalt das Leben dieser Frauen di in Wirklichkeit keine Wahl hatten und keine Zukunft haben.

Selbst wenn sie, nach jahrzehntelangem Sparen, die Möglichkeit haben sich niederzulassen, so wird die gute Gesellschaft sie nie akzeptieren.

Wie also kann Marie auch nur davon träumen sich an einem Adeligen zu rächen?

„Die Wanderhure“ ist ein wirklich spannendes Buch, welches es uns auch ermöglicht hinter die Kulissen des Konstanzer Konzils zu blicken, der versucht hat eine Lösung zu finden in Angesicht der Situation mit drei Päpsten, die alle behaupteten von dem heiligen Petrus abzustammen.

Ja, es war eine unruhige Epoche.

Dieser wirklich fesselnde Roman entführt uns in eine Vergangenheit entführt, die wir lieber nicht gekannt haben; doch auch wenn die beschriebene Geschichte hart und brutal ist, so macht das noch kein literarisches Meisterwerk aus diesem Roman!!

 

Ich habe diesen ersten Band der „Wanderhure“, wie auch die folgenden, verschlungen und werde wohl alle dieser Reihe lesen, doch ich möchte schon sagen, dass es sich hier nicht um DAS absolut lesenswerteste Buch handelt welches ich zu lesen hoffte nachdem ich die begeisterten Kritiken gelesen hatte.

Was mir zum Beispiel missfallen hat, das waren die Zeitsprünge. Das Buch setzt sich tatsächlich aus mehreren Teilen zusammen und wir folgen also Marie – und plötzlich finden wir uns drei Jahre später wieder. Wir folgen ihr wieder – und hopp, wieder ist ein weiteres Jahr ist vergangen. Mir ist schon klar, dass das nötig war, sonst wäre es ein Roman von zweitausend Seiten gewesen statt der knapp über fünfhundert, aber meiner Ansicht nach befanden sich diese Zeitsprünge nicht an der richtigen Stelle, so mancher Schlüsselmoment wurde umgangen.

Auch die Zwiste der Adeligen wurden zu genau beschrieben, es war teilweise etwas schwer zu verfolgen wer nun der Verbündete von wem war, wem seine Ländereien entzogen wurden und wem nicht, einer Tatsache der nicht durch die langen Namen geholfen wurden; zudem wurden die verschiedenen Adligen teils mit ihrem Titel beschrieben, teils mit ihrem Zunamen, und teils mit ihrem Vornamen, was dann auch nicht gerade geholfen hat die verschiedenen Charaktere auseinanderzuhalten.

Ich denke auch, dass das Gesamtwerk interessanter gewesen wäre, wenn der Epilog, der in Wirklichkeit kein Epilog ist sondern eine historische Zusammenfassung die unabhängig von der Romanhandlung ist, am Anfang des Buches gestanden hätte, als eine Art Vorwort.

Wenn auch der Leidensweg von Marie und ihrer Freundin Hiltrud mich in Atem gehalten haben, so war dieser vielleicht ein wenig zu sehr der Grundstein des Buches. Teilweise hatte ich das unangenehme Gefühl ein Voyeur zu sein.

Es handelt sich also um einen Roman, den die Liebhaber dieser Epoche gelesen haben müssen, er befasst sich mit einem Aspekt des Lebens um den Beginn des XVten Jahrhunderts dem man nicht oft mit so vielen Details begegnet, dem Leben der fahrenden Dirnen und ihrem Kampf um das nackte Überleben.

Es ist auch ein schwerer Roman, denn Maries Leben besteht wirklich nur aus Gewalt und Schmerz.

Insgesamt hatte ich wirklich sehr viel Freude bei meiner Lektüre dieses ersten Bands, trotz mancher Einschränkungen, und ich hatte es eilig zu erfahren, was Marie im zweiten Band widerfahren würde …

Ja, ich muss sagen, ich mag dieses junge Mädchen. Aus der naiven und reichen Kaufmannstochter wurde eine Frau mit Charakter, die ihre Meinungen laut ausspricht und für ihre Überzeugungen einsteht.

Sehr Lesenswert !

 

In der Reihe der « Wanderhure » sind bis heute (Januar 2016) erschienen:

  1. Die Wanderhure :
  2. Die Kastellanin :
  3. Das Vermächtnis der Wanderhure :
  4. Die Tochter der Wanderhure
  5. Töchter der Sünde
  6. Die List der Wanderhure

Die CHRONOLOGISCHE REIHEINFOLGE der Reihe ist allerdings etwas anders, denn der letzte Band (“Die List der Wanderhure”) liegt zeitlich zwischen Band 3 (Das Vermächtnis der Wanderhure) und 4 (Die Tochter der Wanderhure).

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