Gary Shteyngart – Super Sad True Love Story

Originaltitel: Super Sad True Love Story

Meine Bewertung: 5/10

Diese Super Traurige Echte Liebesgeschichte (die auf Deutsch erhältlich ist, der Originaltitel wurde nur beibehalten), welche uns Gary Stheyngart hier vorlegt – und die wohl eher erbärmlich als traurig ist, aber jeder hat seine eigene Definition des Wortes „traurig“ – spielt sich in einer Gesellschaft der nahen Zukunft ab, vielleicht nur wenige Jahre in unserer Zukunft, jedenfalls sehr sehr bald.

Man kann diesen Roman als Zukunftsroman bezeichnen (auch wenn er dann etwas enttäuscht) oder auch als Satire (aber dann ist er nicht subtil genug)*.

Wie dem auch sei fand ich ihn enttäuschend, insbesondere da ich ihn nur gekauft habe, weil er auf dem Radiosender France Info als „großer Coup de cœur “ angepriesen wurde.

Was jedoch stimmt ist, dass es ein unterhaltsames Buch ist und dass, auch wenn die von dem Autor geschaffene Welt ein wenig zu sehr einer Welt gleicht, in der die Reality-TV-Sternchen frei leben, man ganz klar hinter den Kulissen dieser Erzählung einen wirklicher Gedankengang spürt – der aber leider nicht offen gelegt wird, zumindest nicht ausreichend.

Aber beginnen wir mit dem Anfang:

Der Plot

Wir befinden uns in dem zukünftigen New York und machen hier die Bekanntschaft von Lenny Abramov, 39 Jahre.

Diese Welt unterliegt vollkommen der Technologie und der äußeren Erscheinung. Jeder läuft mit seinem „Smartphone“ der Zukunft in der Hand herum und offenbart allen, denen er begegnet, persönlichste und intimste Informationen über sich, er wird permanent von jedem und allen in seinem Umfeld, von seinen Kollegen aber auch von Wildfremden be- und verurteilt. In dieser Welt sind die Bankdaten eine öffentliche Angelegenheit, selbst in der Straße wird die persönliche Kreditwürdigkeit offen angezeigt, wenn man an Kreditpfosten (dies ist sicher nicht das Wort, welches im deutschen Text benutzt wird, entschuldigen Sie bitte) vorbeischreitet die hier wie Parkscheinautomaten herumstehen.

Hier gibt es kein Privatleben mehr.

Wir leben in der Welt des Reality-TV.

Und dieses Konzept wird bis an seine Grenzen getrieben: Das höchste Ziel ist die ewige Jugend. Man muss schön, hype und jung sein. Wenn möglich sollte man auch einem Verjüngungsprogramm folgen und um die Unsterblichkeit bemühen, welche einer sehr betuchten Elite vorbehalten ist.

Lenny, unser Romanheld, sieht nicht gut aus. Er altert, verliert seine Haare und seine Blutergebnisse sind nicht gerade erfreulich (auch diese sind jedem offen einsichtbar). Wenn er eine Bar betritt, wird er automatisch als wenig anziehender Mensch klassifiziert (denn man darf nicht vergessen, dass hier jeder immer bewertet und beurteilt wird, dass jede Information öffentlich ist).

Doch Lenny lernt die sehr junge und sehr hübsche Eunice Park kennen. Diese interessiert sich zunächst gar nicht für ihn, und verbringt nur einen kurzen Moment mit diesem netten aber wenig anziehenden Mann.

Doch als sie aus familiären Gründen nach New York zurückkehren will, gibt es für sie nur eine Möglichkeit, dies zu erreichen: Bei Lenny zu leben.

Dieser, verrückt vor Liebe, akzeptiert einfach alles, und ganz langsam beginnt auch Eunice diesen liebenswürdigen Mann ins Herz zu schließen, auch wenn sie weiterhin, wie jeder andere auch, von Äußerlichkeiten angezogen wird.

Diese kleine Liebesgeschichte spielt sich in einer Welt ab, die sich dem absoluten Chaos nähert: China scheint die Überhand zu gewinnen, eine Revolte steht kurz bevor, der Krieg wird bald ausbrechen. Das Leben in NY ist schwer geworden, insbesondere da niemand mehr mit den anderen spricht, alle schauen nur noch die billigsten Fernsehsendungen und haben vergessen, wie man selbst nachdenkt.

 

Also, dann wollen wir mal beurteilen

Wir erfahren diese Geschichte anhand von Emails und Lennys Tagebuch. Der Autor bemüht sich, seinen Schreibstil stark zu verändern um sich dem jeweiligen Gesichtspunkt anzupassen, und so ähnelt die Sprache in Eunice Mails mehr einem Auszug aus „Big Brother“ oder ähnlichen Sendungen während Lenny sich normal ausdrückt.

Lenny wird uns tatsächlich immer sympathischer, er lebt in einer Welt und nach Regeln die er zwar akzeptiert, aber nicht wirklich begreift. Er versucht, ohne Überzeugung, so zu handeln wie alle anderen.

Ansonsten begegnen wir hier denselben Typen Mensch wie in einer Reality-TV-Sendung: Standardisierte Charakter ohne Tiefe, einheitlich sogar, man vergisst sie sobald man die Seite wendet. Sie hinterlassen keinerlei Spur, man weiss nur dass sie oberflächlich waren und dem Erscheinungsbild den höchsten Wert zuschrieben, dass sie nach normalisierten Skalen urteilen und frei herumlaufen.

Zu Beginn gefiel mir diese Welt, in der sich die Handlung abspielt, denn alles spielt sich vor einem Hintergrund von heiklen diplomatischen und politischen Beziehungen zwischen den Ländern ab, dann ist da noch die konstante Überwachung, das Misstrauen und die Angst vor dem jetzigen Regime. Doch leider wurde dies nicht bis zum Ende durchgespielt. Wir sind sehr weit von Orwell und seinem Big Brother entfernt, der uns den Schlaf rauben konnte.

Wenn es sein Ziel war, einen Zukunftsroman zu verfassen, hätte der Autor weitergehen müssen.

Ich habe das jetzt schon mindestens dreimal gesagt, aber wir befinden uns hier ganz einfach in einer Welt, die die Reality-TV-Gemeinschaft karikaturiert.

Es fehlt etwas „Neues“, es fehlt etwas an Fantasie. Dies ist unsere Welt, im extremsten Bereich.

Wenn es sich allerdings um eine Satire handeln sollte, dann fehlt es hier ganz ungemein an Subtilität. Und das ist wirklich schade.

Was mich am meisten gestört hat, das war, dass das Konzept nicht bis zum bitteren Ende durchgezogen wurde. Denn die Ideen sind alle da, aber sie wurden nicht genutzt!

Einige andere Details haben mich noch etwas erstaung: Auf dem Bucheinband (zumindest der französischen Fassung) wurde von einem Lenny gesprochen, der an seinen Papierbüchern hängt, am Schreiben. Das stimmt schon. Doch dies ist nun wirklich nicht der vorrangigste Charakterzug Lennys, der ja trotz allem versucht sich dieser Welt anzupassen. Es stimmt schon, dass er Bücher liebt, er liebt sie von ganzem Herzen, aber das fällt in dieser Geschichte nicht weiter ins Gewicht. Er liebt seine Bücher bei sich zu Hause, er bedrängt damit niemanden.

Dann haben alle Mädchen eine vollkommen lächerlich offengelegte Sexualität. Muss ich jetzt noch einmal das Reality-TV erwähnen? Nein. Die Mädchen ziehen sich hier am liebsten so an, dass sie alles, was man zeigen kann, verstecken und ihre Intimität dagegen offen blosslegen. Die BH’s lassen die Brustwarzen offen, die durchsichtigen Hosen zeigen den Schritt und können mit einem Handgriff ausgezogen werden. Die einen beurteilen die anderen nach ihrer Sexualität, die Sprache der Jugend (von denen einige auch schon älter sind) ist einfach nur ordinär. Das ist natürlich ein Teil dieser neuen Welt die ich hoffentlich niemals erleben muss.

Dieser Zukunftsroman taucht uns also in eine vulgäre Welt ohne Tabus ein, in der die Erscheinung die Herrschaft an sich gerissen hat, in der man sich nur nach dem Urteil der anderen einschätzt und wo die Moral keinen Platz mehr hat.

Dies alles wird von einem allgegenwärtigen Regime geleitet – welches man allerdings nur aus der Ferne erlebt, was ich ja eben so schade finde, denn dieser Punkt hätte mehr Beachtung verdient.

Zusammenfassend kann man sage,, dass diese „Super Sad True Love Story“ eine beliebige Liebesgeschichte ist, wie wir sie alle erleben, nur eben spielt sie sich in einer Welt ab, die das billigste Reality-TV nachahmt.

Wenn Ihnen das zusagt, dann greifen Sie zu. Ich werde dieses Buch sicher kein zweites Mal lesen.

 

* ich habe mich dazu entschlossen, diesen Roman in die Rubrik der „Science Fiction/Zukunftsromane“ zu schieben, denn sein Zukunftsaspekt ist nicht abzustreiten

 

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