Mark Haddon – Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boon

Originaltitel: The Curious Incident of the Dog in the Night-Time

Meine Bewertung: 7/10

England, 1998. Der junge Christopher John Francis Boon, fünfzehn Jahre, entdeckt Wellingtons Leichnam. Der Pudel seiner Nachbarin liegt tot auf deren Wiese. Der arme Hund wurde brutal erstochen.

Nur, als die Nachbarin ihn so findet, wie er den Hund im Arm hält ruft sie die Polizei … und wir stoßen nun hier auf eine Eigenheit des Jungen, denn er hat sofort Probleme mit dem Polizisten, den er sogar schlagen wird, was ihn natürlich direkt auf die Polizeistation führt.

Als er nach Hause kommt erkennt er mit Erstaunen, dass niemand sich wirklich fragt wer wohl den Mord an dem Hund begangen hat und beschliesst, im Rahmen einer Hausaufgabe, selbst zu ermitteln und Wellingtons Mörder zu überführen.

Der Leser erkennt schnell, dass hier eine Besonderheit vorliegt, in der Art zu handeln und zu denken unseres jungen Detektiv.

Es wird nie klar ausgesprochen, aber es ist doch ziemlich offensichtlich, dass Christopher ein Aspergersyndrom hat, eine Autismus-Spektrum-Störung der die Wahrnehmung der Umgebung und der umgebenden Personen, der Emotionen und auch die Denk- und Reaktionsweise verändert. Und so ermöglichen uns Christophers Ermittlungen einen Blick in das Fenster zu werfen und zu schauen wie ein junger Asperger denkt. 

Ich muss zugeben dass ich zunächst nichts besonderes an Christopher feststellen konnte, was wohl damit zusammenhängt dass ich das AS persönlich gut kenne und er mir somit normal erschien … was bedeutet, dass der Autor klar erkannt hat um was es sich handelt und diesen Unterschied nicht im geringsten verurteilt, und vor allem nicht karikaturenhaft darstellt (jedenfalls nicht mehr als nötig).

Die Geschichte wird uns von Christopher erzählt, der hier also seine Untersuchungen beschreibt, und der Stil ist so bewundernswert glaubhaft, mit seinen kurzen und direkten Sätzen und seinem manchmal sehr einfachen und manchmal zu komplexen Verstehen der Welt die ihn umgibt.

Denn Christopher hat natürlich die reife Seite eines Asperger, er denkt schnell, auf eine besondere Art und Weise, er erkennt Details, aber auf der anderen Seite steht er manchen Situationen gegenüber ohne zu begreifen um was es geht, er weiß oftmals nicht wie er reagieren sollte (zum Beispiel dem Polizisten gegenüber-, er versteht manche Reaktionen oder Worte nicht, nicht etwa weil er nicht klug genug ist, ganz im Gegenteil, sondern weil er zu direkt und wörtlich denkt. Ebenso ist er, wie so oft, ein unglaublich lieber Mensch der sich nicht vorstellen kann warum man ein Tier tötet, und warum der Mörder unbestraft davonkommen zollte, und warum außer ihm niemand sich für das Schicksal des armen Hundes interessiert.

Was ansonsten noch angenehm ist, ist die Geschichte selbst, wie diese kleine, nette und fast kindische Ermittlung schnell voranschreitet und schliesslich Christopher fast unmerklich zu Erkenntnissen über seine eigene Familie bringt, die er nicht erwartet hätte.

Da Christopher ein wenig naiv ist, fällt es ihm schwer zu verstehen, dass auch gute Menschen manchmal „böse’ sein können, und so beginnt er nun, seinem direkten Umfeld zu misstrauen…

Als „Roman“ ist dieses Buch einfach und wirkungsvoll, fast süß aber mitreißend, ohne wirklich tiefgründig zu sein.

Doch als Bericht eines jungen Asperger ändert sich das ein wenig, denn wenn man begreift dass der „Sinn“ des Buches an einer anderen Stelle liegt, sich zischen den Linien verbirgt, dann erst eröffnet dieses Buch einem seinen Wert. Hier ist sie, die Realität eines jungen Asperger und hier ist sie, die Realität wie wir sie, vielleicht, sehen sollten. Ein junger Mann der die Welt einfach anders angeht.

Es ist ein wenig wie der Buchtitel selbst (nun muss ich sagen, wie der Originaltitel, denn die deutsche Übersetzung des Titels lässt ein wenig zu wünschen übrig, sie hat das Ziel verpasst): Simpel aber wirkungsvoll. Er beschreibt genau und richtig, ohne dem Leser aber die Möglichkeit zu lassen, den Inhalt zu beurteilen.

Wenn Sie sich nicht für diese Art der Romanfiguren interessieren dann sollten Sie dieses Buch nicht lesen, denn dann wird es Sie einfach nur langweilen, da es dann einem Jugendbuch ähnelt.

Doch wenn Sie etwas weiter gehen möchten, werden Sie einen anderen Blick auf die Welt erhaschen, eine eventuell scharfsinnigere Art die Welt zu sehen.

Es ist schon faszinierend, Christopher zu folgen, diesem Jungen der nur einen Teil der Welt zu sehen scheint, die ihn umgibt – und doch gleichzeitig Dinge bemerkt, die wir nicht beachten.

Beobachten Sie dann auch den Vater, wie er sich bemüht seinen Sohn vor so vielen Dingen zu schützen, wie er ihm die einfachsten Dinge naheführt, beobachten Sie seine Liege in den einfachen Gesten aber auch in seinem Zorn.

Dies ist ein netter kleiner Roman.

Ich habe wirklich Schwierigkeiten gehabt, ihn zu „benoten“, denn wenn er nicht „so richtig spannend“ ist, so ist er auch weder langweilig noch schlecht.

Vor allen Dingen aber ist er anders und relativ einzigartig auf seine Weise.

Daher habe ich mich also dafür entschieden, im eine „7“ zu geben, denn er beschreibt etwas „anderes“. Mehr dann doch nicht, denn dieses Buch kann jemanden, der das SA nicht kennt, einfach nicht überzeugen.

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