Michael Bracewell – Divine Concepts of Physical Beauty

Originaltitel: Divine Concepts of Physical Beauty (nicht auf Deutsch erhältlich)

Meine Bewertung: 9/10

Dieser (noch nicht ins Deutsche übertragene) Roman ist eine feine und grausame Beobachtung der Jugend der ’70er-’80er Jahre, die dem Leser in einem leicht veralteten Stil vorgelegt wird. Der Stil, der beinahe an Bücher des Jahrhundertbeginns erinnert (des XXten), passt perfekt zu dieser Studie von einer Handvoll junger Erwachsener, deren Schwächen bloß gelegt werden und deren Interaktion miteinander ein explosives Ergebnis liefert.

 

Der Plot ist simpel:

Miles Harrier ist ein gutaussehender junger Mann aus betuchter Familie, dessen Schullaufbahn keinerlei Makel aufweist; er ist ein wenig arrogant, selbstsicher, charismatisch. So ist es nicht erstaunlich, dass die Mädchen sich auf den ersten Blick unsterblich in ihn verlieben. Wir lernen ihn zusammen mit seinen Kindheitsfreunden Lucinda, Stella und James kennen (letztere sind Bruder und Schwester), als er noch ein Jugendlicher ist. Dieser Freundeskreis wächst gemeinsam in einer behüteten und begüterter Umgebung auf und erfindet sich seine Abenteuer. Als Miles Harrier nun vor dem Erwachsenenalter steht, geht er mit der jungen Kelly O’Kelly, einem Mädchen mit gequälter Künstlerseele. Ohne in diese verliebt zu sein befindet Miles sich gerne in ihrer Gesellschaft. Doch das Leben ist so wie es ist, und als die Sommerferien nun ihrem Ende zugehen und ein jeder sein Studium beginnen soll, ist er nicht wirklich unglücklich sich von Kelly zu trennen. Letztere jedoch sah in ihm die Liebe ihres Lebens und wird von dieser Beziehung und ihrem plötzlichen Ende tief geprägt bleiben.

Die jungen Leute wachsen heran, ihre Wege trennen sich, doch das Leben wird seine Karten so ausspielen, dass sie sich alle wieder begegnen. 

Kelly O’Kelly beginnt ein Kunststudium, Stella wird Mannequin, Lucinde wählt eine Sekretär-Laufbahn und James möchte ein wirklicher Gelehrter werden.

Ein paar Jahre vergehen, bevor Miles, der sein Studium eigentlich als zweitrangig ansieht wieder auf Lucinda trifft, mit der er nun eine Beziehung eingeht. Doch Lucinda lebt in einer Wohngemeinschaft mit Stella – und Miles fühlt sich stark von dieser unglaublich gut aussehenden jungen Frau angezogen, eine Anziehung die von dieser erwidert wird; es ist dennoch ausgeschlossen, dass irgendeine Liebelei zwischen den beiden beginnen kann denn Lucinda ist eine gemeinsame Freundin und sehr in Miles verliebt.

Das Leben führt über erstaunliche Straßen, und so wird auch der Weg von Kelly O’Kelly wieder den von Miles Harrier und Lucinda kreuzen. Ein dramatischer Moment, der die kleine Gruppe für immer verändern wird.

 

Meine Meinung:

Insgesamt ist dies also die Geschichte einer Gruppe von Jugendfreunden die heranwachsen, sich verlieben, sich lieben, sich verlassen, sich wiederfinden…

Doch was den Charme dieses Romans ausmacht, das ist dieser scharfe, beinahe bissige Blick den der Autor auf alle wirft. Jede der Romanfiguren (es gibt da noch andere) wird beiseite genommen, seine Schwächen, seine intimsten Gedanken werden uns offenbart, dies alles mit einer beinahe neutralen, distanzierten Schrift.

Das gibt dem Buch einen erstaunlich grausamen Hauch. Man versetzt sich in den einen und anderen, bis man dann vor seinen fehlenden Gefühlen, seiner unterschwelligen Wahnsinn oder auch seiner fehlenden Empathie zurückschreckt.

Hätte man die Tragödien verhindern können? Hätten sie anders handeln können? Das ist nicht sicher, es sind schließlich nur junge Leute.

Ich habe den Schreibstil Michael Bracewells enorm genossen, diese leicht altertümliche Art mit der er die Pop-Jahre, die `80er beschreibt verleiht dem Gesamtwerk eine nostalgische aber durchaus realistische Farbe.

Der Originaltitel dieses kleinen Romans vermittelt uns im übrigen einen Eindruck dieser Stimmung: „Divine Concepts of Physical Beauty, was so viel bedeutet wie „Die göttlichen Konzepte der körperlichen Schönheit“ – ein volles Programm!

In diesem Roman kann jede Romanfigur sehr sympathisch wirken, bis sie dann plötzlich abstoßend erscheint. Weiß und Schwarz begegnen sich in jedem der Charaktere. Man mag die Zerbrechlichkeit des einen, wie wir auch seine Kälte verabscheuen. Uns gefällt der noble Charme des anderen doch können wir nur seine egozentrische Seite hinterfragen.

Waren wir ebenso blind? Waren wir ebenso auf unseren eigenen Nabel konzentriert? Hat die körperliche Schönheit einen so starken Einfluss auf unsere Reaktionen? Und ist die Wahrnehmung der Schönheit tatsächlich so zufallsbedingt?

Während wir uns das noch fragen mischt sich auch das Schicksal ein, zufällige Begegnungen die einen kolossalen Einfluss auf das Leben dieser jungen Menschen haben wird.

Dieser Roman ist auch, trotz seiner Thematik, trotz seines Stils, erstaunlich erfrischend und hat mir ein vielleicht etwas zu bitteres Bild meiner Gleichgesinnten hinterlassen. Ich kann nicht umhin diejenigen die mich umgeben zu beobachten und mich dabei zu fragen was sie wohl hinter ihrer freundlichen Miene verbergen.

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